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Kultur: Uehling und Otten: Avanti Dilettanti!

Was Kritiker sich trauen, davor schrecken Musiker noch lange nicht zurück: Einmal in der Haut des anderen stecken, die Rollen tauschen. Kritiker stehen im Rampenlicht, Musiker schreiben in der Zeitung - Mut zum Scheitern inbegriffen.

Was Kritiker sich trauen, davor schrecken Musiker noch lange nicht zurück: Einmal in der Haut des anderen stecken, die Rollen tauschen. Kritiker stehen im Rampenlicht, Musiker schreiben in der Zeitung - Mut zum Scheitern inbegriffen. - Unser Autor ist Geiger im Deutschen Kammerorchester.

Am Mittwochabend lockte das Deutsche Kammerorchester mit einer ziemlich ausgefallenen Idee zwei renommierte Berliner Musikkritiker, Peter Uehling von der Berliner Zeitung und Jürgen Otten von der FAZ, auf das Podium des Kammermusiksaals. Uehling gab den Dirigenten, Otten hatte sich für den Klavierpart entschieden. Auf dem Programm standen Felix Mendelssohns Ouvertüre "Die Hebriden", die Sinfonie Nr. 34 in C-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart sowie, nach der Pause, immerhin das dritte Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven.

Der Eindruck des Abends war durchaus zwiespältig. Peter Uehling - und das war nicht zu übersehen - macht das Dirigieren Spaß. Rasch löste er sich aus seiner anfänglichen Befangenheit. Besonders in den schnellen Sätzen der Sinfonie gelang es ihm, musikalische Strukturen deutlich hörbar zu machen. Geschickt nutzte er dabei das kammermusikalische Potenzial des Orchesters. Sensibler Klang, gutes Zusammenspiel und eine durchsichtige Stimmführung prägten so den Eindruck des ersten Teils. Die Wahl der Hebriden-Ouvertüre für den Kammermusiksaal der Philharmonie hingegen war von Anfang an in Frage zu stellen. Der verschwenderische Klang stellte sich nicht ein, ja konnte sich gar nicht einstellen: Es fehlte schlicht die sinfonische Besetzung.

Und nach der Pause dann Beethoven. Jürgen Otten ging beherzt zu Werke, spielte sicher auswendig - und konnte dennoch in weiten Teilen seiner Interpretation fehlende musikalische Spannungsbögen und ungenaue handwerkliche Details nur durch eine intensive Gestik und Mimik wieder wettmachen. Neben der bedauerlichen Tatsache, dass die Art seines Klavierspiels die bis dahin gute künstlerische Qualität der Veranstaltung einigermaßen verwischte, muss Otten sich die Frage gefallen lassen, warum er für diesen Anlass ausgerechnet ein Werk wählte, das große pianistische Fertigkeiten, musikalischen Geschmack und ein hohes Maß an Podiumserfahrung voraussetzt? Alles doch nur ein Spaß?

Der durchaus originellen Idee eines Kritikerkonzerts hätte Jürgen Otten durch die Wahl eines schlichteren Stückes zweifellos mehr gedient. Nach der letzten Verbeugung schloss er demonstrativ und mit verschmitztem Lächeln den Klavierdeckel. Ein Versprechen, vielleicht. In jedem Fall eine versöhnliche Geste. Verdienter, großer Applaus für alle. Das Publikum bleibt eben das Publikum.

Hannes Metze

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