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Emmanuel Tjeknavorian

© Uwe Arens

Debüt im Deutschlandfunk Kultur: Und als Zugabe ein Kinderlied

Frischer Wind: Drei virtuose Newcomer debütieren in der Philharmonie, darunter das Ausnahme-Talent Emmanuel Tjeknavorian.

Ein Horn, ein Kaddisch, ein Klagelied, ein langsam verdämmernder Schlusston. Vielleicht ist es das, was Musik im Kern immer wieder ausmacht. Dass einer seine Stimme erhebt. Gegen die Stille, gegen das Schweigen, das Kollektiv. Ein Zeichen in der Antisemitismusdebatte nennt Marc Christian Gruber seine Zugabe in der Philharmonie. Der 25-Jährige ist Solo-Hornist beim HR-Sinfonieorchester; in der Reihe „Debüt im Deutschlandfunk Kultur“ mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin spielt er Reinhold Glières Hornkonzert op.91. Eine gefällige, aus Fertigbauteilen der (russischen) Romantik montierte Komposition von 1950: Warum ein derart unoriginelles Werk für ein Philharmonie-Debüt, bei dem lediglich der letzte Satz auch mal gewitzt mit dem eigenen Eklektizismus spielt? Keine Frage, Gruber weiß die spieltechnischen Tücken von Glière elegant zu bewältigen, verbindet Spannung mit Ruhe, nimmt sich Zeit bei der Kadenz.
Antonio Méndez am Pult, der zweite Debütant an diesem Abend, hatte zum Auftakt mit Beethovens zweiter Leonoren-Ouvertüre ebenfalls das Tempo gedrosselt, wobei seine Spannungsbögen bei aller Drahtigkeit und Energie zuweilen zähflüssig geraten. Überdehnte Pausen, zu viel Nachdruck, unausgewogene Klangmischung, wiederholt überdecken die Streicher die Bläser: Erst bei Sibelius’ Violinkonzert mit Emmanuel Tjeknavorian verschwinden die Manierismen. Der 23-jährige Solist aus Österreich spielt hoch konzentriert, in sich versunken und sucht doch den Dialog mit dem DSO.

Virtuosität und Kontemplation

Ein Ausnahmetalent: Tjeknavorian versetzt das Virtuose mit Kontemplation, bürstet den Repertoire-Hit gegen den Strich, riskiert Härten und Unvereinbarkeiten. Dabei verlangt er sich und seiner volltönenden Stradivari das Äußerste ab. Sein Schmelz, seine Verve lassen die Verzweiflung ahnen, die hinter der Kulisse lauert.
Der gebürtige Wiener tritt seit seinem siebten Lebensjahr auf, die großen europäischen Konzerthäuser haben ihn in dieser Saison für ihre „Rising Stars“-Reihe ausgewählt. Als Zugabe spielt er ein Kinderlied von Beethoven, „Das Murmeltier“, eine schlichte, traurige Weise. Da ist es wieder: einer allein im großen Scharoun-Saal, kein Brillieren, keine Tricks. Understatement kann anrührend sein.
Zum Ausklang des live im Deutschlandfunk übertragenen Konzerts dirigiert Méndez Richard Strauss. Die Neigung des 1984 geborenen Mallorquiners zur Schärfe, zur Unerbittlichkeit tut dessen symphonischer Dichtung „Till Eulenspiegel“ gut, streicht die Frechheiten und Bizarrerien heraus. Méndez bemüht sich vor allem um Oberflächengestaltung, auch hier vermisst man Zwischentöne, Details. Aber er kehrt den rebellischen Gestus des jungen Strauss unmissverständlich hervor – Jahrzehnte später sollte der Komponist als Präsident der Reichsmusikkammer dem NS-Regime dienen. Dessen früher Protest gegen den verknöcherten Münchner Musikbetrieb Ende des 19. Jahrhunderts und die bald 60jährige Tradition der Debüt-Reihe, die frischen Wind macht, immer wieder neu, es passt gut zusammen.

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