SPIEL Sachen: Ungeschminkt authentisch
Eigentlich gilt das Theater ja nicht direkt als Avantgarde-Medium. Vielmehr steht es, so fest wie eine oberfränkische Tanne, für einen gutbürgerlichen, gern auch etwas konservativen Kulturbegriff.
Eigentlich gilt das Theater ja nicht direkt als Avantgarde-Medium. Vielmehr steht es, so fest wie eine oberfränkische Tanne, für einen gutbürgerlichen, gern auch etwas konservativen Kulturbegriff.
Es gibt allerdings Momente, in denen wächst die Bühnenkunst über sich hinaus – und nimmt wahrhaft prophetische Züge an. Da ist zum Beispiel diese junge, hoffnungsvolle Nachwuchs-Performancetruppe, die schon vor geraumer Zeit ihren Beitrag zur Reihe „Exportierte Kriegsschauplätze“ im Rahmen eines Comicfestivals am Maxim Gorki Theater (ab 20.3.) mit einer Pressemitteilung angekündigt hatte. Dort steht, dass Afghanistan und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Wort und Image für ihre Produktion „Barbarellastrip“ eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen werden.
Nun dürfen Sie dreimal raten, wie sich diese Nachwuchsgruppe nennt? Jawohl: copy & waste („kopieren und verschwenden“) – eine schöne Verfremdung der beliebten Computerfunktion „copy & paste“ („kopieren und einfügen“), mit der sich mühelos fremdes Gedankengut in eigene Dokumente transferieren lässt.
Es darf in dieser leidigen Urheberrechtsfrage übrigens als erwiesen angesehen werden, dass die Performer mit ihrer Namensgebung Karl- Theodor zu Guttenbergs „Copy-and- Paste“-Affäre um einige Jahre voraus waren! Wagen wir also mit den Theater-Propheten von copy & waste ruhig mal einen Blick in die nahe Zukunft des 21. März, an dem ihre Produktion „Barbarellastrip“ im Gorki Premiere haben wird. Da sieht es ganz so aus, als sei die derzeit in Unionskreisen gebetsmühlenartig wiederholte Funktionstrennung zwischen vermeintlich privatem (Ex-)Doktor und öffentlichem Verteidigungsminister hoffnungslos passé.
Copy & waste gehen sogar kassandrahaft ein paar Schritte weiter. Sie legen Persönlichkeiten des Zeitgeists gleichsam so lange auf den Kopierer, bis ein heilloses Identitätskauderwelsch zwischen Original und Kopie herrscht und nicht nur Familienvaterrollen gnadenlos mit Berufsprofilen verschmelzen, sondern auch deutsche Verteidigungsminister mit US- amerikanischen Fitness-Ikonen: „Jane Fonda ist Barbarella ist Hanoi-Jane ist Karl-Theodor zu Guttenberg, unermüdlich im Einsatz für knackige Rundungen, ein friedliches Universum und die Optimierung ihrer selbst“, so copy & waste zu ihrer Produktion. „Körper, Kriege und Identitäten“ würden so lange trainiert, „bis sie auch ungeschminkt ganz authentisch aussehen.“
Natürlich entlassen uns copy & waste nicht ohne einen wertvollen prophetischen Tipp aus ihrer Pressemitteilungslektüre. Der lautet: „Mehr Monarchie wagen!“