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Kultur: Untergang zartbitter

Deutschland 1944/45: Stadt um Stadt wird in Schutt und Asche gelegt, und Richard Strauss klagt - nicht über den Verlust von Menschen-, sondern von Kulturleben und Opernhäusern.In den "Metamorphosen.

Deutschland 1944/45: Stadt um Stadt wird in Schutt und Asche gelegt, und Richard Strauss klagt - nicht über den Verlust von Menschen-, sondern von Kulturleben und Opernhäusern.In den "Metamorphosen.Studie für 23 Solostreicher" verleiht der 80jährige Meister seiner "Trauer um München", wie der Arbeitstitel des Werkes hieß, Ausdruck.Für die Ungeheuerlichkeit des Geschehens findet er keine eigenen Töne.Stattdessen greift er auf die bittersüßen Klischees seiner spätromantischen Musiksprache zurück, wie sie seinen im Verzicht geübten Opernheldinnen recht war.

Fetzen des Trauermarsches aus der "Eroica" flackern hier und dort unheilvoll auf.Am Ende erscheint Beethoven im wörtlichen Zitat und der Komponist schreibt demonstrativ "IN MEMORIAM!" darunter.In Memoriam für wen? Für die deutschromantische Tradition.So stellte sich der große Richard Strauss das Komponieren nach Auschwitz vor.

Das Wiener Streichsextett und der Kontrabassist Alois Posch präsentierten das schwer erträgliche Werk im Kleinen Saal des Schauspielhauses in einer sogenannten "Urfassung für Streichseptett".Diese "Urfassung" geht auf eine unvollständige Arbeitsskizze in der Bayerischen Staatsbibliothek zurück, die dem Komponisten als Grundlage für die spätere Ausarbeitung diente.Sie ist also strenggenommen ein Zwischenstadium.Von Rudolf Leopold, dem Cellisten des Ensembles, ergänzt und spielfertig gemacht, fügt sie der bekannten Gestalt des Werkes nichts Neues hinzu.Dankbar nahm man zur Kenntnis, daß es die schlankere Besetzung den Interpreten ermöglichte, die Larmoyanz dieser Trauermusik einzudämmen.Auch Wagners Wesendonck-Liedern bekam Rudolf Leopolds Bearbeitung gut.

Die Chromatik des Werkes schillerte in der unproblematischen Aussetzung des Klaviersatzes für sechs Streicher noch farbiger, und Brigitte Poschner machte mit ihrem nicht mehr ganz taufrischem, aber anrührenden Mezzo vergessen, daß Wagner hier eher seinen "Tristan", als die biedere Albumspoesie seiner Herzensfreundin Mathilde vertonte.Mit einem tänzerischen Elan, wie man ihn in dieser Mischung von Schmissigkeit und Innigkeit nur von echten Wienern zu hören bekommt, hatte das Wiener Streichsextett mit Mozarts C-Dur-Quintett KV 515 von Anfang an höchste Erwartungen geweckt, die es in puncto Klangkultur auch einlöste.

BORIS KEHRMANN

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