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Kultur: Verstands=kasten

Am 27. Januar 1756 erblickte Wolfgang Amadeus Mozart das Licht der Welt. Bis zu seinem 250. Geburtstag hören wir ihn täglich

Allerliebster Papa! Ich kann nicht Poetisch schreiben; ich bin kein Dichter. ich kann die redensarten nicht so künstlich eintheilen, daß sie schatten und licht geben; ich bin kein mahler. ich kann sogar durchs deuten und durch Pantomime meine gesinnungen und gedancken nicht ausdrücken; ich bin kein tanzer. ich kan es aber durch töne; ich bin ein Musikus. ich werde auch morgen eine ganze gratulation sowohl für dero Namens= als geburtstag bey Cannabich auf dem Clavier spiellen. für heute kann ich nichts als ihnen, Mon très cher Père, alles vom ganzen herzen wünschen, was ich ihnen alle tage, Morgens und abends wünsche. gesundheit, langes leben, und ein frühliches gemüth. ich hoffe auch, daß sie iezt weniger verdruß haben, als da ich noch in Salzburg war; denn ich muß bekennen, daß ich die einzige ursach war. man gieng schlecht mit mir um; ich verdiente es nicht. sie nahmen natürlicherweise antheil – aber zu sehr. (...)

ich wünsche ihnen, daß sie so vielle jahre leben möchten, als man jahre braucht, um gar nichts neues mehr in der Musick machen zu können. Nun leben sie recht wohl; ich bitte sie recht unterthänig mich noch ein bischen lieb zu haben, und mit diesen schlechten glückswunsch unterdessen vorlieb zu nehmen, bis in meinem engen und kleinen verstands=kasten neue schubladen gemacht werden, wo ich den verstand hinthun kann, den ich noch zu bekommen im sinn habe.

(Mannheim, den 8. November 1777, aus einem Brief an den Vater)

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