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Schauspieler: Viel Ehre, wenig Geld

Oft schlecht bezahlt und kaum abgesichert: Schauspieler arbeiten hart, auch körperlich, ihre Arbeitszeiten sind unbequem. Trotzdem brennen die meisten für ihren Job.

Für Frank Kessler ist die Berlinale der Höhepunkt des Jahres. Nicht nur, weil er in einer Episode des Films „Dreileben“ mitspielt. Für den Schauspieler ist das Festival auch eine „Jobbörse“, wie er sagt. Leute treffen, Termine machen. „Man muss sich recken und strecken wie in jedem Beruf“, sagt der 49-Jährige. Schauspielerei ist sein Traum, er kann auch davon leben – aber leicht ist es nicht. Bei geschätzt 20 000 aktiven Schauspielern in Deutschland haben nur wenige so große Namen wie Bruno Ganz oder Nina Hoss. „Der Beruf hat ein Glamour- Image“, sagt Kessler, „aber die wirtschaftliche Realität sieht anders aus.“ Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Uni Münster im Auftrag des Bundesverbands der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS). Die Hälfte der mehr als 700 Befragten verdient jährlich 20 000 Euro brutto oder weniger. Die Untersuchung sei zwar nicht repräsentativ, sagt Andrea Bührmann, Leiterin des Projekts. Doch ausgehend von der Gesamtzahl der Schauspieler sei die Zahl der Antworten sehr hoch. Sie sollten ernst genommen werden.

Schauspieler arbeiten hart, auch körperlich, ihre Arbeitszeiten sind unbequem: abends, am Wochenende, an Feiertagen. Und reich werden sie höchstwahrscheinlich auch nicht, weil die Konkurrenz groß ist und die Berufsbezeichnung nicht geschützt. Trotzdem brennen die meisten für ihren Job – aber die Lage verschlechtere sich, warnt BFFS-Vorstand Michael Brandner: Theater vergeben keine Festanstellungen mehr, und im Filmgeschäft schrumpfen die Gagen.

Frank Kessler kann das bestätigen. Zwar verdient er zurzeit mehr als 20 000 Euro. Er erinnert sich aber auch an magere Zeiten: 2009 lag er deutlich unter der Marke – „da war ich froh, dass ich meine Frau hatte.“ Über sie ist Kessler krankenversichert. Weil er als Schauspieler nicht selbstständig, sondern abhängig beschäftigt ist, kann er nicht in die Künstlersozialkasse (KSK) aufgenommen werden, die freischaffenden Künstlern Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung ermöglicht – ein gängiges Problem in der Branche.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass Schauspieler es schwer haben, Anspruch auf Arbeitslosengeld I zu erwerben. Zurzeit muss ein Schauspieler innerhalb von zwei Jahren mindestens sechs Monate lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein, um ALG I zu bekommen – bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer an der Münsteraner Studie war dies nicht der Fall. Denn es ist durchaus üblich, dass ein Darsteller sich für eine Filmproduktion wochenlang exklusiv zur Verfügung halten muss – aber nur an drei oder vier Tagen vor der Kamera steht.

BFFS-Vorstand Brandner sagt daher: „Die Kriterien funktionieren nicht.“ Dabei war die Zahl der Monate erst im Juni 2009 von zuvor zwölf auf sechs herabgesetzt worden. Die Bundesregierung beschloss damals eine Änderung des Bezugs von ALG I, das ausdrücklich die Benachteiligung von Schauspielern abmildern sollte. Der Schauspielerverband zeigte sich damals skeptisch, die Studie bestätigt nun die Befürchtungen: Lediglich 4,6 Prozent der Befragten profitieren zusätzlich. Weitere 40 Prozent scheitern zudem an der zweiten vom Gesetz gestellten Bedingung, die eine Befristung der Engagements auf höchstens sechs Wochen vorsieht. Theaterproduktionen etwa umfassen in der Regel einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten.

Was Kessler besonders ärgert, ist die mangelnde Solidarität des Systems: „Ich zahle viel ein, kann aber nicht partizipieren.“ Das System ist auf die schwankenden Einkünfte – kurzfristig viel verdienen, dann monatelang nichts – nicht eingestellt. Brandner: „Schauspieler tragen das Risiko von freien Unternehmern, zahlen Abgaben wie Angestellte – und bekommen kaum etwas zurück.“

Diese Ungerechtigkeit müsse geändert werden, sagt der BFFS-Vorstand und fordert eine „Reform der Reform“. Die Situation spitzt sich zu, warnt er: „Der Schauspieler, von dem man immer annimmt, dass er in Saus und Braus lebt, lebt in Armut.“ Besonders ältere Kollegen, die weniger Rollenangebote bekämen, seien gefährdet – weil sie oft nur wenig in die Rentenkassen einzahlen konnten. Auch Kessler kennt Kollegen, die auf Stütze angewiesen sind – und sich wegen ihres bekannten Gesichts auf dem Amt genieren. Jan Oberländer

Sechs Monate Arbeit in zwei Jahren – viele Schauspieler kriegen das nicht zusammen

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