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Kultur: Viele Büros, wenig Ideen

Eine Diskussion über die neue Architektur am Leipziger Platz

Der Leipziger Platz, vom Zweiten Weltkrieg und der Teilung Berlins in eine traurige Ödnis verwandelt, feiert derzeit seine Wiederauferstehung. Die Neubauten sind zwar erst teilweise zu sehen, lassen sich aber vor dem inneren Auge bereits leicht zu der charakteristischen Form des achteckigen Stadtraums weiterdenken. Während das Mosse- Palais, das erste fertig gestellte Haus am Platz, ein grobschlächtiger Klotz mit applizierten Dekors aus dem Baugeschichtsbuch ist, ist Axel Schultes auf der anderen Platzseite mit dem Haus Knauthe eine raffiniert komponierte Fassade gelungen. Ansonsten wirkt die für den Platz geplante Architektur weitgehend einfallslos.

Der Berliner Verleger Jochen Visscher hatte jetzt fünf beteiligte Berliner Architekten zur Diskussion in die Landesbibliothek Berlin eingeladen. Thomas Albrecht vom Architekturbüro Hilmer & Sattler, das den städtebaulichen Plan für den Platz entwickelt hatte, gestand unumwunden, dass es keine tragende Idee für den Platz als Aufenthaltsort gibt. „Teure Läden und Cafés soll es am Platz geben, dazu Parkplätze, Bankautomaten und möglichst wenig Grün, um dem benachbarten Tiergarten keine Konkurrenz zu machen“, umriss Albrecht die Vorgaben des Masterplans. Hilmer und Sattler haben die Baumasse am Leipziger Platz gegenüber dem historischen Vorbild verdoppelt. Die Reminiszenz an die Tradition beschränkt sich auf den barocken Platzgrundriss.

Teurer, ruhiger und klarer als sein Pendant, der Potsdamer Platz nebenan, soll der Leipziger Platz nach Wunsch seiner Schöpfer werden. Mit guter Architektur hat der Platz in seiner knapp 300-jährigen Geschichte allerdings nie geglänzt – mit Ausnahme des berühmten Wertheim-Kaufhauses von Alfred Messel aus dem Jahr 1905. Ausgerechnet dieses Grundstück planen heute Hilmer und Sattler und fleddern dafür Messels Fassade, um sie für eine Haut zu verwenden, hinter der wieder nur standardisierte Büroflächen liegen, die niemand braucht.

Zum Thema erscheint im Jovis-Verlag das Buch: „Der Leipziger Platz – Urbane Architektur für das neue Berlin“, hg. von Tanja Schult und Jochen Visscher, 96 Seiten, 15,80 Euro.

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