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Leuchtendes Geigenspiel. Carolin Widman.

© Lennard Rähle

Carolin Widmann im Boulez Saal: Virtuosenfutter

Solistischer Hummelflug: Geigerin Carolin Widmann beeindruckt im Boulez Saal.

Sieben Notenpulte sind im Halbkreis aufgestellt, um von einer einzigen Interpretin mit Noten im klassischen Papierdruck belegt zu werden. Carolin Widmann spielt Jörg Widmann. Sie ist eine Geigerin von glänzender Reinheit der Intonation, die nun die Reihe der Seiten entlang interpretiert, was ihr komponierender Bruder der berühmten Kollegin Isabelle Faust und ihr selbst gewidmet hat: „Etudes für Violine solo“, Nr. II und III. Der Etüdencharakter der Musik, den sie im ruhigen Beginn vokal begleitet, wandert über aggressiv gleißende Höhen zu „rasender Unruhe, so schnell wie möglich“ und wird Ausdruck eines rauschhaften Virtuosengipfels. Es liegt in der Natur der Kompositionen wie ihres Vortrags, dass diese Art von solistischem Hummelflug das Publikum im Pierre Boulez Saal hell begeistert und verdienter Applaus braust.

Der Pianist, mit dem sie den Abend teilt, präsentiert sich ebenfalls allein mit Stücken für sein Instrument. Alexander Lonquich nimmt sich die Ländler D 790 von Franz Schubert vor, deren Harmonik er deutlich aushorcht, sowie eine kleine Adaption des Genres von Wolfgang Rihm. Es ist ein eher verschwiegener Tanz, der sich aus der historisierenden Form wagt, ein „Ländler für Klavier“ von 1979, beinahe ein Anachronismus, aus dem zarte Romantik lächelt.

Kurzweilig und anspruchsvoll

Lonquich, geboren 1960 in Trier, vor wenigen Wochen ausgezeichnet mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik für seine Veröffentlichung der letzten Schubert-Sonaten, ist kein Klangfetischist, aber ein Musiker mit eigenem Kopf. Die Sonate für Violine und Klavier von Leos Janácek, die beide Interpreten als Eingangsstück zusammen realisieren, hat mitreißende Qualität. Wenn sie die kurzen Motive, die aus dem Tonfall des Opernkomponisten kommen, einander abnehmen, haken die plastischen Gestalten sich im Erinnern fest. Charakteristisch ist die derbe Attraktivität des Scherzos, die sich dem Impetus des Pianisten verdankt.

Das Programm ist so kurzweilig wie anspruchsvoll, denn es stellt Zeitgenössisches in der Mitte zur Diskussion, um von folkloristischem Kammerspiel zu großer Klassik zu gelangen. In Beethovens Opus 30 Nr. 2 besticht wieder das mild leuchtende Geigenspiel Widmanns. Was man heute kurz Violinsonaten nennt, wird in der Erstausgabe als „Trois Sonates pour le Pianoforte avec l’Accompagnement d’un Violon“ bezeichnet. Vielleicht will die Violinistin als Partnerin des Pianisten diesem Titel dienen. Sie spielt sehr verinnerlicht, mit vornehmer Zurückhaltung. Aber das dem russischen Zaren Alexander I. gewidmete Werk dürfte sie doch etwas heroischer nehmen. Der Eindruck bleibt, dass zwei ausgezeichnete Instrumentalisten miteinander musizieren, ohne gestaltend ein wirkliches Team zu sein.

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