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Majestät der Tugend. Vladimir Jurowski in vollem Einsatz.

© Mutesouvenir/Kai Bienert

Vladimir Jurowski: Wenn der Hahn kräht

Saisonausklang: Vladimir Jurowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester verabschieden sich mit Haydns Jahreszeiten in die Sommerpause.

Joseph Haydn, so wird erzählt, musste eine halbe Stunde im Vorzimmer warten, bis der Baron van Swieten ihn einließ. Der Komponist und sein Librettist hatten sich überworfen wegen des Textes zu den „Jahreszeiten“, und Swieten missfiel, dass Haydn den Landmann im „Frühling“ das Andante aus seiner Sinfonie mit dem Paukenschlag pfeifen ließ anstelle einer damals bekannten Opernarie. Wie gern vernimmt der heutige Hörer das Zitat, das wie geschaffen ist für das Publikum der Zukunft. Das Rundfunk-Sinfonieorchester und sein Chefdirigent Vladimir Jurowski verabschieden sich mit den „Jahreszeiten“ in die Sommerpause. Es ist eine Aufführung von bewundernswerter Spontaneität, welche das Oratorium aus den vier Kantaten, die Frühling, Sommer, Herbst und Winter gewidmet sind, unter einen Bogen spannt und dabei der Liebe zum Detail huldigt. Der Gedanke an die ungeheure Mühe, der sich das Werk des alternden Meisters verdankt, weicht der modernen Neugier der Interpretation mit ihren suggestiven Klangbildern.

Solistisch treten hervor: der Bauer Simon, von Dietrich Henschel mit der Reife seiner Erfahrung und hoher stimmlicher Präsenz im Augenblick gesungen; ferner seine Tochter Hanne mit dem überfliegenden Sopran der Israelin Chen Reiss, die ihre Zaubertöne dem „gütigen Gott“ wie dem scherzhaften Lied leiht; schließlich der Bauer Lukas als Tenorpartie, darin der Finne Topi Lehtipuu sich steigernd in virtuose Gefilde aufbricht.

Die Büchse knallt

Gleich der beneidenswert unbeschädigten Natur beschwört das Werk ein Weltbild von der Majestät der Tugend: „Außen blank und innen rein, muss des Mädchens Busen sein.“ Der Aufgang der Sonne, chromatisch aus der Tiefe kommend, die Todesstille vor dem Sturm, die Blitze der Flöten: Musik malt Bilder. Händel und „Zauberflöte“ sind darin, barockes Pathos und die ganze Atmosphäre eines Schwanengesangs, der von Vergänglichkeit weiß und offenem Grab.

Zeitgenössische Kritik monierte, dass Haydn mit seinen musikalischen Illustrationen auf dem Gebiet der Malerei herumschweife. Die Nachahmungen aber, wie Jurowski sie mit den beflügelten Musikern des RSB feiert, sind vitale Elemente zwischen „Komm, holder Lenz“ und dem c-Moll-Adagio des Winters. Wer freut sich nicht, wenn die Oboe den Morgenruf des Hahns imitiert und eilig huschend die Hennen fliehen, da die Büchse knallt! Das Landvolk, gesungen vom Vocalconsort Berlin mit leuchtendem Schliff, hat seinen Spaß: „Ha,ha!“, aber die Komposition endet mit großer Fuge und „Amen“. Triumph und Jubel in der Philharmonie.

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