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Kultur: Volles Pfund

Die Beatsteaks melden sich nach drei Jahren zurück – mit „Limbo Messiah“. Ein Besuch im Hotel

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Ein Vormittag im Esplanade, siebter Stock. „Komm rein“, sagt Arnim Teutoburg-Weiß, 32, Sänger der Beatsteaks, und öffnet die Tür zur Suite. Einen hübschen Blick haben sie vom sonnigen Balkon, im Süden ist das Rathaus Schöneberg zu sehen. Auf dem Glastisch steht eine Schale mit frischem Obst, Kiwi, Bananen. Doch bevor es losgeht, – „Entschuldige“ – muss Schlagzeuger Thomas Götz noch mal schnell pinkeln. „Dauert nicht lang’.“

Drei Jahre lang haben die Beatsteaks aus Berlin keine Platte mehr veröffentlich; diesen Freitag bringen sie ihr fünftes Album heraus. „Limbo Messiah“ heißt es. Da sollten drei Minuten Wartezeit in einer Hotelsuite kein Problem darstellen.

Arnim Teutoburg-Weiß trägt weiße Turnschuhe, eine blaue Jeans, ein bunt-kariertes Sommerhemd und einen Drei-Tagesbart wie Schlagzeuger Götz. Der ist 38 und legt wie sein Sänger nicht so viel Wert auf einen durchgestylten Haarschnitt. „Wahnsinn, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, oder? Ich erinnere mich noch an unsere Eltern, die fast die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen haben“, sagt Arnim Teutoburg-Weiß. „Erinnerst du dich?“

Ende 1996 rockten die fünf Musiker aus Friedrichshain und Kreuzberg vor ein paar verschwitzten Skatern in der „Weißen Rose“, einem alten Jugendfreizeitclub in Schöneberg. Elf Jahre später – für den 7. Juli 2007 – haben sie mal eben die Wuhlheide gemietet, in die fast 20 000 Leute passen; ihre Konzerte in vielen anderen deutschen Städten sind ausverkauft.

Das letzte Album wurde 200 000 Mal abgesetzt. Drei Jahre sind seit „Smack Smash“ und all den wunderbaren Gitarren-Strandliedern wie „I Don’t Care As Long As You Sing“ oder „Hello Joe“ (eine Reminiszenz an Joe Strummer) vergangenen; die „Taz“ hat ihnen einst einen „Bierbüchsen-Rhythmus“ attestiert, was durchaus als Lob zu verstehen war.

Und jetzt? „Jetzt haben wir, trotz aller Härte, eine totale Pop-Platte gemacht“, sagt Teutoburg-Weiß, „allerdings unsere Art von Pop: schneller und eckiger“, und in gewisser Weise auch eher ohne Sinn. „Wir haben keine Story-Telling-Lieder geschrieben“, sagt er, „man kann sich mit den Texten beschäftigen oder man lässt’s“, meint Arnim. „Oder was meinst du?“ Thomas Götz dreht sich eine Zigarette und schiebt sie sich in den Mund. Er nickt. „Jeder kann die Texte interpretieren wie er will, das ist das Geile.“

Die PR-Frau hatte zuvor in der Suite nebenan einen bunten Allerwelts-Recorder des Hotels hingestellt und kurz die Platte abgespielt. Mieser Klang, das tue ihr leid: „Scheiß Hotel.“ Arnim Teutoburg-Weiß will nun wissen: Hast du mitgewippt? Mit den Knien? Nun, man wippt mit, lauscht seiner Stimme, die krächzend, dann brachial und plötzlich wieder absurd hoch daherkommt. Um mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, dafür sei die Platte gut, und gut für den Sommer. Teutoburg- Weiß japst: „Super.“

Die Beatsteaks stehen vor allem für viel Spaß und kraftvolle Rotzigkeit bei Konzerten. Das meinte auch Ärzte-Sänger Farin Urlaub, als er einst sagte: „Live kann denen keiner das Wasser reichen.“ Intellektuelle Inhalte wurden ihren Texten nie nachgesagt. Pseudo-Geschwafel nervt sie. Es gebe da so junge Bands aus Skandinavien, „die treten mit einer Ernsthaftigkeit auf, die ich lächerlich finde. Als gäbe es nichts wichtigeres als so eine Band.“ In den vergangenen drei Jahren sind zwei Bandmitglieder der Beatsteaks Vater geworden. Das sei auch ja nicht ganz so unbedeutend.

Plötzlich springt in der Suite aus unerklärlichen Gründen eine Stereoanlage an. „Feels Like Heaven“ dudelt es aus den Boxen. Arnim Teutoburg-Weiß springt auf, lacht krächzend los, hüpft auf die Couch, tanzt, sagt: „Die Melodie will ich auf unserer nächsten Platte haben!“ Thomas Götz guckt verwirrt, „aber mich überrascht gar nichts mehr bei dem“. Thomas Götz kommt aus Baden-Württemberg, er hat sieben Jahre mit behinderten Kinder gearbeitet, landete auf der Straße, wurde 1999 in die Band aufgenommen. Bassist Torsten Scholz war Elektrosignal-Mechaniker, Gitarrist Peter Baumann hat bei der BSR gearbeitet, bis auch er seinen Job hingeschmissen hat, weil es nicht so leicht ist, tagsüber im Müllmannkostüm herumzurennen und abends im Vorprogramm der Toten Hosen, den Ärzten, von Faith No More oder den Sex Pistols zu spielen. Mit denen traten sie 1996 auf. Damals ging auch Arnim Teutoburg-Weiß einer normalen Beschäftigung nach als Tresenkraft in der Ankerklause; mit dem Longboard fuhr er zur Arbeit.

Prägend für seine extrovertierte Art auf der Bühne, für die Akrobatik und Sprünge von meterhohen Boxen-Türmen, war jedoch eine andere Zeit. Arnim Teutoburg-Weiß ist die ersten sieben Jahre seines Lebens im Ost-Berliner Zirkus „Busch“ groß geworden. Sein Vater hat dort als Artist gearbeitet, seine Mutter an der Kasse. Das Leben spielte sich oft im Wohnwagen ab. „Das war meine Welt“, sagt er. Sicher, sie seien jetzt über 30 Jahre alt und mit der Zeit tun die Knochen weh, bei einem Konzert ist Arnim Teutoburg-Weiß schon mal die Kniescheibe rausgesprungen.

Vor einem Jahr fuhr die Band in einem Neunmannbus auf einen Bauernhof nach Brandenburg. Sie hatten ihren Musikinstrumente dabei und wollten in Lütte – einem 540-Einwohner-Kaff, aus dem auch die Band Keimzeit stammt – ausprobieren, „was wir überhaupt machen wollen“, erzählt Götz. Sie hätten artig gekocht, ohne Tiefkühlkost, und seien um vier Uhr morgens diszipliniert ins Bett gekrochen.

Es soll schließlich ihr Sommer werden, denn „wir nehmen ja Platten eigentlich nur auf, um wieder auf Tour zu gehen“, sagt Teutoburg-Weiß, der Sänger. Für die Wuhlheide sind schon 11 000 Karten verkauft. Ohne auch nur ein Plakat zu kleben.

„Limbo Messiah“ von den Beatsteaks erscheint am Freitag bei Warner. Abends spielt die Band im Lido, Schlesische Str., Kreuzberg. Mitglieder von „MySpace“ haben freien Eintritt. Das Prozedere: www.beatsteaks.org

André Görke

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