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Szene aus Richard Wagners „Siegfried“ an der Berliner Staatsoper mit Stephan Rügamer (links) und Andreas Schager.

© Monika Rittershaus

Wagner-Glück an der Staatsoper: Ich kann sagen: Ich bin dabei gewesen!

Christian Thielemann arbeitet sich Unter den Linden erneut durch Wagners „Ring des Nibelungen“. Am dritten Abend passiert im „Siegfried“ dann das, worauf alle im Saal gewartet haben.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Stand:

Man kann nie wissen, wann es passiert. Aber die Hoffnung ist immer da, bei jedem Opernbesuch. Die Hoffnung auf den perfekten Abend. 20 Vorstellungen können vergehen, 30, 40, im ungünstigsten Falle auch mehr – wenn es dann aber soweit ist, wenn sich auf der Bühne alles aufs Schönste fügt, gerät der Saal in einen kollektiven Rausch.

Für mich war es am vergangenen Mittwoch endlich so weit, beim „Ring des Nibelungen“ in der Staatsoper: Im 1. Akt des „Siegfried“ ereignet sich das Wunder der Live-Aufführung. Wie elektrisiert lausche ich der Staatskapelle, die unter Christian Thielemanns befeuernder Leitung einfach hinreißend spielte, gleichermaßen virtuos und sinnlich, energiegeladen, klangschön, funkensprühend.

Die Aufführung hebt ab

So berstend vor Vitalität sind diese 80 eröffnenden Minuten, als wären seit der Uraufführung nicht 149 Jahre vergangen, als würden die Musikerinnen und Musiker die Noten just in diesem Moment zum ersten Mal für sich entdecken. „Wenn wir alle in dieselbe Richtung streben, können wir fliegen“, umschreibt Sir Simon Rattle solche musikalischen Glücksmomente.

Danach hätte ich nach Hause gehen sollen. Sicher, der 2. und der 3. Akt gelangen ebenfalls exzellent, sämtliche Solisten sangen auf Topniveau, aber mein Herz war eigentlich schon voll, mein Geist satt. Ich blieb, als pflichtbewusster Preuße.

Am Tag der Deutschen Einheit dann die „Götterdämmerung“: Direkt neben der Staatsoper lautstark demonstriert, auf dem Bebelplatz, unter dem Motto: „Nie wieder kriegstüchtig!“, drinnen wirken alle Beteiligten noch leicht ermattet. Kein Wunder nach der emotionalen Totalverausgabung beim „Siegfried“.

Bei diesem „Ring“-Finale will sich die Aura des Außergewöhnlichen nicht einstellen. Was es mir schwerer macht als an den drei vorangegangenen Abenden, mich von der herrlichen Musik über die missglückte Inszenierung hinwegtrösten zu lassen. Ungebremst wächst die Wut: Regisseur Dmitri Tcherniakow trivialisiert die Handlung bis an die Grenze des Lächerlichen, ohne daraus irgendeinen Erkenntnisgewinn schöpfen zu können.

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