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Wider das Verschwurbelte: Zum Tod des Philosophen Harry G. Frankfurt
Der Essay „Bullshit“ machte ihn weltberühmt. Nun ist der Princeton-Emeritus im Alter von 94 Jahren gestorben
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Falls man den Philosophen Harry G. Frankfurt, der nun im Alter von 94 Jahren gestorben ist, zum Propheten der Fake-News-Epoche ausrufen wollte, sollte man vorsichtig sein. Der „Bullshit“, dem er schon 1986 in einem Essay auf den Grund ging, der 20 Jahre später als leinengebundene Flugschrift auch hierzulande zum Bestseller wurde, beschrieb zwar eine Form von geistigem Terror, war aber von der bewussten Lüge zu unterscheiden. Frankfurt ärgerte sich über den alltäglichen Bockmist, das Geschwätz im Fernsehen, die Blufferei von Studenten und Kollegen sowie den Humbug, der aus verblasener Sprache und schlampigen Gedanken entsteht – alles verwandte Begriffe, die er diskutierte.
Als analytischer Denker reinsten Wassers, der in Yale und Princeton lehrte, blieb er aber kühl und legte Wert darauf, dass der Bullshit ein größerer Feind der Wahrheit sei als die Lüge. Denn Lügner kann man widerlegen, Bullshitter muss man wie einen Pudding an die Wand nageln – wenn das ein treffendes Bild für die Bullshit-Metapher ist: „Während heiße Luft von jeglichem Informationsgehalt entleertes Reden darstellt, sind Exkremente Stoffe, denen jeglicher Nährstoffgehalt entzogen ist.“
Frankfurts Essay war vom Anspruch her ein intellektuell keineswegs ermäßigtes Stück Begriffsexplikation. Nebenbei vermochte er zu erklären, was analytische Denker überhaupt treiben, wenn sie verstehen wollen, was wir meinen, wenn wir etwas sagen. Der Erfolg von „Bullshit“ sorgte im Übrigen dafür, dass Frankfurts übriges Werk zu Fragen der Freiheit und Willensfreiheit, Gleichheit und Ungleichheit, das zuvor nur portionsweise ins Deutsche gefunden hatte, endlich in größerem Umfang Beachtung fand.
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