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Julia Fischer

© Felix Broede

Academy of St Martin in the Fields: Willst du viel, spiel mit Stil

Im Berliner Konzerthaus begeistern die Violinvirtuosen Julia Fischer und Augustin Hadelich zusammen mit der Academy of St Martin in the Fields

Ganz enorm, was für eine Sprengkraft dieses Stück auch 42 Jahre nach seiner Uraufführung noch hat: Tatsächlich verlassen mehrere Zuschauer genervt den großen Saal des Konzerthauses, als Julia Fischer und Augustin Hadelich am Montag Alfred Schnittkes Concerto grosso Nr.1 für zwei Solo-Violinen, Cembalo, präpariertes Klavier und Streicher spielen. Lustvoll kosten die beiden Violinvirtuosen jede dissonante Reibung aus, saftig-sinnlich unterstützt von der Academy of St Martin in the Fields. Doch da sind eben nicht nur die nervenzerfetzenden Passagen, da ist auch der subversive Witz des 1998 gestorbenen russischen Komponisten, der überall durchblitzt.

Wenn er zum Beispiel Zitate aus so entfernten Regionen wie dem argentinischen Tango einstreut, wenn er den Gestus einer barocken Toccata so radikal zuspitzt, dass aus Nähmaschinengeläufigkeit schließlich pure Kakofonie wird, dass die Streicher klingen, als würde sich jemand mit voller Wucht und seinem gesamten Unterarm auf der Tastatur eines Synthesizer abstützen.

Werke aus vier Jahrhunderten bieten die Gäste aus London in diesem Programm an – und beherrschen dabei tatsächlich alle stilistischen Spielarten absolut souverän. Schlicht perfekt gelingt Antonin Dvoraks altbekannte E-Dur-Serenade: Jede Stimme führt hier ihr eigenes, selbstbewusstes Klangleben, und doch sind alle Beteiligten gedanklich so eng miteinander verbunden, dass eine anrührende kollektive Harmonie entsteht. Weil diese Gruppe von Individuen auf einem gemeinsamen Atem spielt, mit der Innigkeit der Einigkeit.

Nicht wie Konkurrenten, sondern eher wie Geschwister gehen Julia Fischer und Augustin Hadelich Bachs Konzert für zwei Violinen BWV 1043 an: Die Geigerin verschlankt bewusst ihren üppigen Ton, um ästhetisch näher an ihren Partner heranrücken zu können. Fein und silbrig wird so ihr Zusammenklang, elegant, geschmackssicher und ganz auf rhetorische Eloquenz ausgerichtet statt auf zur Schau gestellte Fingerfertigkeit.

Tja, und dann ist da noch die Chamber Symphony des 36-jährigen Andrey Rubtsov, uraufgeführt vor gerade mal 14 Tagen von der Academy of St Martin in the Fields, zum Auftakt der aktuellen Tournee: eine handwerklich gut gemachte, ins Ohr gehende Musik – die lediglich ein Jahrhundert zu spät kommt. 1919 wäre Rubtsovs tonaler Expressionismus durchaus als interessante Avantgarde durchgegangen. Frederik Hanssen

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