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Kultur: Wind und Wasser

Johannes Bobrowskis Gedichte in den „Oktavheften“

Um Dichtern ein Denkmal zu setzen, braucht es nicht Stein, sondern bedrucktes Papier und jemanden, der es unter die Leute bringt: Das klassische Amt des Verlegers üben heute wenige so beharrlich aus wie Michael Krüger und Klaus Wagenbach. Letzterer macht sich nun mit einer Variante seiner berühmten „Quarthefte“ als „Oktavhefte“ ein Geschenk zum 80sten: Jeder Band hat 80 Seiten, englisch broschiert, in schlichtes Graublau gebunden, kein Zierat, Reduktion aufs Wesentliche im schmalen Hochformat, das in jeder Tasche Platz hat.

Dass in dieser bibliophilen Reihe der Dichter nicht fehlen darf, mit dem Wagenbach die neben Erich Fried engste Beziehung hatte, versteht sich: Johannes Bobrowski. Nachwort und Auswahl aus dem lyrischen Werk des 1965 in Ostberlin verstorbenen Freundes sind exquisit.

Jeder Text ein kanonisches Beispiel der deutschen Nachkriegslyrik, ohne abgetan oder in historische Ferne gedriftet zu sein. Mag sein, dass die Verse immer zeitloser, in ihrer Trauer um das verlorene baltische Kindheitsparadies immer schöner, fantastischer geworden sind: „Mit Regensegeln umher / fliegt, ein Geheul, / der Wasserwind. / Eine blaue Taube / hat die Flügel gebreitet / über den Wald. / Schön im zerbrochenen Eisen / der Farne / geht das Licht / mit dem Kopf eines Fasans“. Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Lyrik zeichnet sich Bobrowskis Größe ab: Wem gelingt es heute noch, eine konkrete Landschaft aus Poesie zu stiften? Jan Röhnert

Johannes Bobrowski: Nachbarschaft. Klaus Wagenbachs Oktavhefte. Wagenbach Verlag, Berlin 2010. 80 Seiten, 8 €.

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