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Kultur: Wolfsgeheul

Westernklänge satt: Calexico in Berlin

Es ist heiß in der Columbiahalle, die Luft zum Schneiden. Durch Nikotinnebel blitzt funkelndes Messing: gleißende Trompeten, twängelnde Pedal Steel, staubtrockener Kontrabass. John Convertinos elegant und heftig gerührtes Schlagzeug und Joey Burns zerschrappte Nylonsaiten-Gitarre. Das ist der vertraute Sound von Calexico, den die Fans so lieben. Dieses einzigartige Gemisch aus Surfgitarren, Wüstengeflirre und mexikanischem Mariachi-Sentiment. Auf dem neuen Album „Garden Ruin“ (City Slang) ist „Roka“ allerdings der einzige Mariachi-Song. Und so spielen sie im Konzert vorsichtshalber gleich noch einen älteren hinterher: „Across The Wire“ im Sechsachteltakt. Und den zauberhaften „Sunken Waltz“ mit versunkenem Akkordeon. Dann klirrende Splitter von Pedal Steel, und Vibrafon.

Wölfe heulen in die blaue Nacht. Exotisches Getier keckert in endlose Landschaften. In der brütenden Hitze der Wüste Arizonas, den roten Bergen, Westernklänge, Westernlandschaft. Grenzklänge, die so wunderbare eigene Bilder im Kopf erzeugen, gegen die das Leinwandgeflacker auf der Bühnenrückwand wie eine Belästigung wirkt. Joey hängt sich die Stahlsaiten-Western-Gitarre um. Erst kürzlich hat er die 1961er-„Epiphone“ in einem Laden seiner Heimatstadt Tucson entdeckt. Dort, wo John Convertino auch eine „Ludwig“-Snare aus den Zwanzigern gefunden hat, einen Sound, nach dem er lang gesucht hatte.

Diese Instrumente mit ihrem eigenen Charakter haben die Richtung vorgegeben für das neue Album. So ist der neue Sound mehr song- als landschaftsorientiert. Mehr Dur als Moll, mehr Vierviertel als Sechsachtel. Und dann rocken sie zu schweren Powerchords und einer Wand von Stromgitarren: „All Systems Red“. Und krachen gleich noch eine heftig umgemodelte, aufgemöbelte Version von „Not Like Stevie Nicks“ hinterher. Am Ende wieder Mariachi-Seligkeit. Und alle sind glücklich.

H.P. Daniels

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