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SCHREIB Waren: Worte zu Torten

Andreas Schäfer wundert sich über Wunderkinder.

Jetzt, da so viel vom literarischen Wunderkind Helene Hegemann die Rede ist, fällt uns wieder ein, dass diese schillernde Schärpe vor gar nicht langer Zeit noch Dorota Maslowska trug (oder tragen musste). Die polnische Autorin schrieb schon mit achtzehn Jahren ihr gefeiertes Debüt „Schneeweiß und Russenrot“, in dem ein junger Mann auf der Suche nach Speed durch die hysterisierte Subkultur einer polnischen Stadt jagt. Das Porträt einer „Generation Nichts“ wurde damals als postkommunistisches Pendant zu „Trainspotting“ gelesen. Es folgte der Roman „Die Reiherkönigin“ und das virtuose, auch an der Berliner Schaubühne gezeigte Theaterstück „Wir kommen gut klar mit uns“, eine grelle, mit Polen- und Medienklischees spielende Reise ins Innere eines kollektiven Selbstverachtungs-Wir, das sich, so Maslowskas durchschimmernde These, noch immer als Opfer sieht. Obwohl sich bei dieser Autorin nie so genau feststellen lässt, ob etwas schon These oder noch ironische Vorführung eines Denkmusters ist. Denn Dorota Maslowska kann nicht nur „Wörter zu Torten schichten“, wie ihr Leseabend am heutigen Dienstag im Roten Salon der Berliner Volksbühne betitelt ist (Linienstraße 227, 20 Uhr), sondern sie vermag auch auf furiose Weise Stimmen und Jargons zu imitieren.

Alles andere als grell und spektakulär geht es dagegen in dem trocken erzählten Debütroman „Herr Blanc“ des Schweizers Roman Graf zu. Herr Blanc, das Mittelmaß auf zwei Beinen, an dem das auffälligste noch seine symbiotische Mutterbeziehung ist, verlässt aus unerfindlichen Gründen seine frühe Liebe Heike, heiratet aus purer Vernunft Vreni und kommt im fortgeschrittenen Alter (immerhin!) ins Grübeln über die verpassten Möglichkeiten seines Lebens. Zusammen mit Katharina Tanner liest Roman Graf kommenden Donnerstag, 28.1., im Literaturhaus (Fasanenstraße 23, 20 Uhr). Apropos kauzige Schweiz: Ebenfalls am Donnerstag stellt Urs Widmer seinen neuen Roman „Herr Adamson“ im Buchhändlerkeller vor (Carmerstraße 1, 20 Uhr 30). Darin erklärt ein 94-jähriger „Vortoter“ das Jenseits, findet ein Achtjähriger Saurierknochen und Indianer reiten durch Basel.

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