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Suche nach dem Wesentlichen. Dmitri Schostakowitsch.

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Young Euro Classic: Liturgie ohne Glauben

Young Euro Classic: das Youth Chamber Orchestra St. Petersburg spielt Schostakowitsch.

Dmitri Schostakowitsch hat selten so schonungslos, herb und abstrakt komponiert wie in der 14., seiner vorletzten Symphonie, die er selbst sinngemäß als Quintessenz seines Spätwerks bezeichnete. Das von Modest Mussorgsky, Gustav Mahler und Widmungsträger Benjamin Britten inspirierte Werk ist ein Zyklus von elf Orchesterliedern auf Gedichte von Federico García Lorca, Guillaume Apollinaire, Wilhelm Küchelbecker (einem deutsch-russischen Dichter des 19. Jahrhunderts) und Rainer Maria Rilke. Beim Young Euro Classic Festival im Konzerthaus ist das Stück, das obsessiv um die Idee des Todes kreist, in einer Interpretation des zu erleben.

Unter der Leitung des auch als Pianist und Tenor erfolgreichen Migran Agadzhanyan verleiht das 2012 gegründete Ensemble Schostakowitschs Stück erschütternden Ausdruck. Der Komponist reduziert den Tonsatz hier immer wieder auf eine kahle Zweistimmigkeit, etwa in der grandiosen, von Sopranistin und Solo-Cellistin eindringlich vorgetragener Vertonung des Apollinaire-Gedichts über einen Selbstmörder. Mit dem Verzicht auf Bläser und der Besetzung für hohe Frauen- und tiefe Männerstimme vermeidet Schostakowitsch in einer Art Liturgie ohne Glaubenshoffnung alle Zwischen- und Vermittlungsstufen. Immer wieder ertönt die Todesglocke, am Ende rast eine Fortissimo-Figur ins Nichts. Karina Flores und Felix Kudryavtsev singen kraftvoll und authentisch.

Meditation über die letzten Dinge

Was im zweiten Teil des Konzerts folgt, ist leider bei Weitem nicht so interessant. Dowlet Anzarokows Oboenkonzert von 2004 ist vielleicht nicht mehr als eine Fingerübung des zum Entstehungszeitpunkt gerade 24 Jahre alten Komponisten. So schön Solist Aleksandr Bykov auch spielt, klingt das Stück im Anschluss an Schostakowitschs Meditation über die letzten Dinge aber wie postmodernes Rokoko: ornamental und unverbindlich. Tschaikowskys bekannte Streicherserenade schließlich leidet unter dem interpretatorischen Überdruck des zuvor präzise und konzentriert agierenden Agadzhanyan. Der berühmte zweite Satz, ein Walzer, kommt nicht so recht in Schwung, zu spät gesetzte gestische Impulse des Dirigenten beeinträchtigen das Zusammenspiel, und der Schluss mit dem wieder aufgenommenen Eingangsthema wirkt aufgedonnert. Man erlebt das dramaturgisch etwas unglücklich gestaltete Konzert eines hochbegabten Ensembles, bei dem das Beste gleich am Anfang kommt.

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