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Jetsetter, Bodybuilder, Schriftsteller. Yukio  Mishima war eine schillernde Figur des Literaturbetriebs.

© Kein & Aber

Yukio Mishima: Mann und Tod

Eine Vivisektion der Selbstverleugnung: Die „Bekenntnisse einer Maske“ machten Yukio Mishima einst zum literarischen Star. Der Roman ist neu übersetzt worden.

Wenige Schriftsteller haben die Grenze von Leben und Werk so radikal infrage gestellt wie Yukio Mishima. Bis in den Tod folgte er dem alten Samurai-Ideal des bunbu ryodo – dem doppelten Weg von Pinsel und Schwert. Nachdem er am Morgen des 25. November 1970 den letzten Band seiner Tetralogie „Das Meer der Fruchtbarkeit“ an seinen Verleger geschickt hatte, drang er mit seiner Privatmiliz in das Hauptquartier der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte ein.

Er nahm den General gefangen, verkündete vor den versammelten Soldaten, dass die Macht des Tenno wiederhergestellt werden müsse, wurde verlacht, zog sich zurück und schlitzte sich, bevor er geköpft wurde, in der rituellen Manier des seppuku den Bauch auf. Manch ein Literaturwissenschaftler glaubt, dass Mishima mit seinem Suizid sein Werk neu geschrieben habe: Mishima, der mit seinen 45 Jahren über 50 Theaterstücke und 30 Romane geschrieben hatte und mehrmaliger Kandidat für den Nobelpreis war. Mishima, der Jetsetter, Bodybuilder und Schauspieler, der mit seinen theatralischen Strategien der Selbstinszenierung bis heute die Wahrnehmung seiner Person bestimmt. Und Mishima, der radikale Nationalist, der die kulturelle Armut der japanischen Demokratie beklagte und Ästhetik und Politik in seiner Kaiserverehrung vereinte.

Begierde und Anpassung

Der Verlag Kein & Aber hat nun Mishimas „Bekenntnisse einer Maske“, mit dem er 24-jährig zum neuen Star der japanischen Literatur wurde, in einer Neuübersetzung von Nora Bierich herausgebracht – erstmals aus dem japanischen Original. Bisher gab es nur eine Variante nach dem furchtbaren Stille-Post-Prinzip aus dem Englischen. Nora Bierich ist eine hervorragende Übersetzung gelungen, die den zugleich luziden und rauschhaften Erzählstrom erfahrbar macht.

In dem Roman berichtet ein Ich-Erzähler von den prägenden Erfahrungen seiner Kindheit, Jugend und Studienzeit. Es ist eine Vivisektion der Selbstverleugnung: „Mein Selbstbetrug war der einzige zuverlässige Halt in meinem Leben.“ Kochan begehrt Männer, Blut und Tod. Unfähig, seine Begierden auszuleben, beginnt eine Maskerade, in der er sich seinen Mitmenschen anzupassen sucht.

Meist werden die „Bekenntnisse einer Maske“ autobiografisch gelesen. Tatsächlich ist es schwer, in die dargestellte Todessehnsucht nicht die Vorzeichen von Mishimas Ende hineinzuprojizieren. Aber dies sagt nichts über die literarische Qualität aus. Was diesen Roman so faszinierend und fatalistisch zugleich macht, ist, dass die Maske nicht nur nach außen, sondern auch nach innen gerichtet ist. Minutiös seziert Yukio Mishima jede Regung seines Protagonisten und macht die Leser zu Zeugen einer Selbstzerfleischung.

Yukio Mishima: Bekenntnisse einer Maske. Roman. Aus dem Japanischen von Nora Bierich. Kein & Aber, Zürich 2019. 224 Seiten, 20 €.

Jonas Lages

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