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Kultur: Zahnbasta!

„Szenen einer Ehe“ mit Riemann am Ku’damm

Stand:

Die Ehehölle beginnt beim Zähneputzen. Das Paar schweigt, schrubbt und zeigt sich die kalte Schulter. Dann hält der Mann kurz inne, macht den Mund auf, die Lippen schön rund geformt, damit die Zahnpastasoße nicht fließt, und nuschelt: „Es ist ja nicht als Vorwurf gemeint!“ Der Wiedererkennungswert dieser kleinen Szene muss groß sein – denn das Publikum in der Komödie am Kurfürstendamm beginnt sogleich erleichtert loszutoben. Selbstverständlich entzündet sich am Nicht-Vorwurf ein Disput, an dessen Ende die Frau vor lauter Ohnmacht die Zahnbürste fast im Auge des Gatten versenkt – stürmischer Applaus. Ja, dies ist ein Abend, der seine Karten auf den Tisch legt. Der Weg vom Schweigen zur Pointe ist lidschlagkurz. Die Frau wird von Katja Riemann gespielt, der Mann von Peter René Lüdicke, dessen entfernt an Jerry Lewis erinnernde Übertreibungskunst früher an der Volksbühne zu genießen war.

Die beiden geben den Beziehungshöllenklassiker „Szenen einer Ehe“ von Ingmar Bergmann, der Anfang der siebziger Jahre, also auf dem Höhepunkt der Beziehungsgesprächswelle, in Schweden als Fernsehserie herauskam und in der Filmfassung danach seinen Siegeszug durch Europa antrat. Johan und Marianne sind ein Musterpaar, bis Johan sich in eine dreiundzwanzigjährige Studentin verliebt und die Familie verlässt. Der sich über zwanzig Jahre ziehende Wiederbegegnungsrest besteht aus Erniedringungskämpfen, sentimentaler Annäherung und Versöhnung. Heute hält man diese ausufernde Psychostocherei bei Wiederansicht trotz des genialen Drehbuchs kaum aus.

Ein Vorzug der Theateradaption liegt in ihrer Kürze. In der Version von Regisseurin Amina Gusner steht man nach anderthalb Stunden wieder auf der Straße. Das große Manko des Abends aber ist, dass an den Geschlechterrollen nichts geändert wurde. Das mäuschenhaft Devote Mariannes wirkt heute reichlich unglaubwürdig. Darüber hinaus spielt Katja Riemann ihr persönliches Drama mit, das da lautet: Ich wollte lieber zum Theater, aber das wollte mich nicht, deshalb musste ich leider beim Film Karriere machen. Erst mit Gusner konnte sie, wie es heißt, ihr Theatertrauma überwinden. Das hat zur Folge, dass ihr in jedem Moment eine kindliche Freude darüber anzumerken ist, auf ihren geliebten Brettern zu stehen. Das ist zwar rührend, der Rolle aber abträglich. Während sie in ihrem neuen Film „Das wahre Leben“ als Ehefrau brilliert, trifft sie als Marianne kaum den Ton, weint wie eine Stummfilmdiva oder jault wie ein Mädchen, das seine Eltern im Zoo verloren hat.

Die Geschichte wird von Peter René Lüdicke getragen, der Johan als zu Aggressionsausbrüchen und Wehleidigkeit neigendes Weichei gibt. Er lässt Emotionen wie Billardkugeln durch seinen Körper knallen – er zappelt linkisch, klappert feige mit den Zähnen und versprüht Hass, Dummheit und eine grundsätzliche Wackelpuddinghaltung zum Leben, dass es eine Freude ist. Ein Rätsel, warum dieser Schauspieler so selten zu sehen ist.

Komödie am Kurfürstendamm, wieder heute sowie tägl. außer Mo bis Ende März.

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