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Berliner Aktion: Im Sommer 2016 baute das Zentrum ein Tigergehege mit der Aufschrift "Flüchtlinge Fressen" vor dem Maxim Gorki Theater auf.

© Maurizio Gambarini/dpa

Zentrum für Politische Schönheit: Darf man das?

Tiger, Internetpranger & Co.: Die Anti-Strategien des Zentrums für Politische Schönheit sind drastisch. Aber die Aktionskünstler holen ausbleibende Empörung nach.

„Es ist sehr gefährlich, nach bösen Geistern zu forschen. Das macht mir Angst. Suchen wir lieber die Schuld bei uns selber!“ Mit diesen besonnenen Worten warnt die junge Rebecca im Stück „Hexenjagd“ von Arthur Miller vor der schnellen Verurteilung anderer. Die Schuld bei sich selber suchen klingt gut, christlich obendrein. Aber soll das auch gelten, wenn Rechtsextreme in Chemnitz aufmarschieren, um den Boden der demokratischen Verfassung mit Springerstiefeln zu treten und Jagd zu machen auf Missliebige aller Couleur? Kann das die Lösung sein in Zeiten, in denen der historisch ohnehin schwer kontaminierte Begriff der Hexenjagd zunehmend von Tätern in Dienst genommen wird, um sich zu Opfern zu stilisieren? Seien es rechtspopulistische Brandstifter oder machtmissbrauchende #MeToo-Männer?

Die jüngste Aktion des Zentrums für politische Schönheit, der Internetpranger ist ein erneuter Ausweis der Kunstfertigkeit, mit der die Gruppe um Philipp Ruch gesellschaftliche Fäulnisprodukte zu sozialen Plastiken recycelt. Wie immer wird der Trigger für die Darf-man-das?-Reflexe angeboten, für die Beleuchtung ihrer Aktionen von der rechtlichen und moralischen Warte aus. Das Eigentliche ist in den Gegenfragen zu suchen, die auf die vermeintlichen Provokationen notwendigerweise folgen müssen.

Steckt dahinter mehr als Eulenspiegelei

Darf man Geflüchtete Tigern zum Fraß vorwerfen? Sicher nicht. Aber warum darf man sie im Mittelmeer verrecken lassen? Das war die Aktion „Flüchtlinge fressen“ vor dem Maxim Gorki Theater. Was bringt es, wenn aus einem Istanbuler Hotelfenster per ferngesteuertem Drucker Flugblätter segeln, die zum Tyrannenmord aufrufen? Bringt es mehr, politische oder wirtschaftliche Deals mit erklärten Anti-Demokraten zu schmieden? Und was ist ein Ableger des Holocaust-Mahnmals im Nachbargarten von Björn Höcke mehr als eine Eulenspiegelei, die den AfD-Mann ein bisschen ärgert und ihm die Aussicht versaut?

Mit der Chemnitz-Aktion reagiert das Zentrum für politische Schönheit einmal mehr auf die ausbleibende Empörung dort, wo sie geboten wäre. AfD-Politiker rufen Schüler dazu auf, ihre Lehrer im Internet zu denunzieren, falls die sich abfällig über die Partei äußern. Der Satiriker Schlecky Silberstein und seine Mitstreiter erhalten nach einem Satire-Video über den Wahnsinn von Chemnitz Hausbesuch von einem AfD-Abgeordneten, der ihr Klingelschild abfilmt. Das Video mit den Adressendetails kursiert kurz darauf im Netz, Morddrohungen sind die Folge. Der Internetpranger des ZPS wirft diese Hetzmethoden mit Schlingensief’scher Wucht auf die Rechten zurück. Die Aktion stellt sich auf die Seite der besorgten Bürger. Und damit sind diejenigen gemeint, die Grund zur Sorge haben, Opfer von Verfolgung, Diskriminierung, tätlichen Angriffen zu werden.

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