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Kultur: Zerschnittene Negative

Museumsakademie: Immer noch stutzt man bei diesem Namen für eine Galerie, obgleich doch bekannt ist, daß Gründerin Helen Atkins eigentlich eher an eine Kuratorenschule gedacht hatte, als sie ihrem Ausstellungsraum vor Jahren diesen Namen gab.Zwar bleibt die Privatakademie weiterhin das Fernziel, die Galerie im Herzen von Mitte hat sich jedoch inzwischen längst als Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst profiliert.

Museumsakademie: Immer noch stutzt man bei diesem Namen für eine Galerie, obgleich doch bekannt ist, daß Gründerin Helen Atkins eigentlich eher an eine Kuratorenschule gedacht hatte, als sie ihrem Ausstellungsraum vor Jahren diesen Namen gab.Zwar bleibt die Privatakademie weiterhin das Fernziel, die Galerie im Herzen von Mitte hat sich jedoch inzwischen längst als Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst profiliert.

Die derzeitige Ausstellung von John Schuetz und Malte Spohr unter dem Titel "Inlines" bietet die Möglicheit, über manche Frage in unserem Kunstbetrieb nachzudenken: Zum Beispiel wie zeitgemäß die Institutionen Museum und Akademie sind und eine junge Kunst, die, kaum der Akademie entwachsen, schon ins Museums will; oder wovon Künstler ihren Unterhalt bestreiten, sofern sie nicht in erster Linie von ihrer Kunst leben, etwa dadurch, daß sie an einer Akademie Studenten unterrichten oder an einem Museum arbeiten.

Schuetz und Spohr sind als Künstler schon lange im Geschäft und haben dennoch auch noch einen anderen Job.Beide haben gelernt, ökonomisch mit ihrer Zeit umzugehen, und bei beiden ist Zeit das heimliche Thema ihrer künstlerischen Arbeit, obwohl der eine abstrakte Lichtbildmontagen, der andere Skulpturen und Zeichnungen macht.John Schuetz baut aus zerschnittenen Negativfilmen oder verwitterten Fotoglasplatten fotografische Bilder, die an mikrokopische Formen oder galaktische Räume erinnern.Salopp gesagt: Wenn Hannah Höch und Rupprecht Geiger in der Nachkriegszeit gemeinsam Fotomontagen gemacht hätten, dann wäre wahrscheinlich so etwas wie ein Kunstwerk von John Schuetz dabei herausgekommen.

Bei Malte Spohr hingegen sind aus den Zeitspuren Schichten geworden, und wer sich auf seine Arbeiten einläßt, kann eine Entdeckung der Langsamkeit besonderer Art erleben.Die Skulpturen bestehen aus gestanzten, schellackgetränkten Kartonschichten.Obwohl die vieleckigen Einzelformen, die der Künstler aufeinandergeklebt hat, identisch sind, ergeben sich durch den transparenten Überzug unregelmäßige Ränder: "September - Oktober 1998" wirkt ausgefranst, "November - Dezember 1998" ordentlich gestapelt.Diese schmalen, auf den ersten Blick eher unscheinbaren Wandobjekte sind nicht zuletzt skulpturale Reflexionen über indirekte Ecklösungen, ursprünglich ein Formproblem des Barock.In Spohrs Zeichnungen wiederum sind es die geraden Linien, die aufeinandergeschichtet Flächen ergeben.Die Hand führt den Stift am Lineal entlang, das Lineal hat keine Führung als die Hand.Innerhalb dieser flächendeckenden Verdunklung des Blattes gibt es Unterbrechungen.Die daraus entstandenen hellen Grate haben die Form von Halmen, Sicheln oder Rippen.Sie werden zu architektonischen Kürzeln, bei denen man an gotische Bögen denken mag oder an die Iglu-Gerüste von Mario Merz.Es dauert lange, ein großes Blatt auf diese Weise zu füllen, es braucht Geduld und eine Mischung aus Planung und Intuition oder Kalkül und Manie.Besucher in der Ausstellung fragen des öfteren, ob diese Arbeiten per Computer ausgeführt worden seien.

Die Arbeiten von Schuetz und Spohr kommen zeitlos daher, ohne erkennbaren Bezug zum Hier und Jetzt.Aber das stimmt nicht.Sie sind gesättigt mit Zeit und damit ihr gemäß.

Museumsakademie, Rosenthaler Str.39, bis 26.Februar.Dienstag bis Sonnabend 14 bis 19 Uhr.

ANNELIE LÜTGENS

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