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Ungleiches Paar: Nina Hoss und Saskia Rosendahl in „Zikaden“.

© Judith Kaufmann/Lupa Film

„Zikaden“ mit Nina Hoss auf der Berlinale: Das ungelebte Leben

Die zweite Hauptrolle in Ina Weisses Berlin-Brandenburg-Film spielt Saskia Rosendahl: ein stilles Drama über Eltern, Kinder und verborgene Sehnsüchte.

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Schon wieder fällt ein Pfleger aus, und das Wochenendhaus im Brandenburgischen droht allmählich zu verwahrlosen. Geldsorgen hat Isabell (Nina Hoss) als Maklerin von Luxusimmobilien und Tochter eines renommierten Berliner Architekten nicht.

Überfordert ist sie trotzdem. Mit der Organisation der Pflege für den nach einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzenden Vater, mit der Sorge um die gesundheitlich ebenfalls angeschlagene Mutter, der Ehe mit dem Franzosen Philippe (Vincent Macaigne), die ebenfalls kränkelt – und manchmal auch mit sich selbst.

Wie nebenbei fängt die dritte Regiearbeit der Schauspielerin Ina Weisse (nach „Der Architekt“ von 2008 und „Das Vorspiel“ von 2019) nicht nur die Kluft zwischen Contenance und Innenleben ein, sondern auch soziale Differenzen. In unmittelbarer Nachbarschaft des nach Bauhaus-Manier vom Vater designten Klinkerbaus auf dem Dorf lebt Anja (Saskia Rosendahl). Gerade hat sie mal wieder einen Job verloren und heuert in der Bowlingbahn an. Anjas freche kleine Tochter treibt sich herum, Anja hat nicht mal das Geld für Schwimmflügel.

Der Sommer ist heiß, das Licht flimmert (Kamera: Judith Kaufmann), Isabells und Anjas Welten berühren sich. Eine Art Freundschaft bahnt sich an: Weisse deutet den Klassismus der Architektentochter ebenso diskret an, wie sie die Beziehung der Frauen mit Bedacht in der Schwebe hält.

„Zikaden“ erzählt vom ungelebten Leben, von verworfenen Berufswünschen, einem unerfüllten Kinderwunsch, der Erotik verborgener Sehnsüchte. Zwischen den Generationen der Eltern und der Kinder, zwischen Stadt und Land suchen Isabell und Anja nach ihrem Platz.

Dabei lassen sie auch Unvorhergesehenes zu. Nina Hoss und Saskia Rosendahl verleihen „Zikaden“ Momente großer Intensität, gerade jenseits der Dialoge. Die Plotwendungen und Nebenfiguren erscheinen dagegen allzu durchbuchstabiert, als vertraue der Film seinen Bildern nicht.

„Architekt ist der einzige Beruf, bei dem man durch seine Gedanken gehen kann“, sagt Isabell über ihren dominanten Vater. Das ist ja das Schöne am Film: Dass man die eigenen Gedanken dort immerhin sehen kann.

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