
© laif/Bettina Flitner
Zum 80. der feministischen Pionierin : A wie Alice
Eine Würdigung von Alice Schwarzer, mit acht Mal A - wie Aufstand, Angriff, Angelpunkt, Autonomie, Aufklärung, Autorität, Argumente und Amour.
Stand:
A wie Alice, das ist A wie Aufstand, und zwar Aufstand gegen das Patriarchat. Dafür steht Alice Schwarzer wie niemand anders in der Bundesrepublik. Ihr verdankt sich die zweite Revolte nach der Revolte, die der Frauen. Als junge Radikale 1968 gegen Hierarchien, Unterdrückung und Ausbeutung auf die Straßen gingen, waren Geschlechterverhältnisse in ihrer Theorie ein „Nebenwiderspruch“ des Systems.
A wie Angriff. Dann zeigte Schwarzer auf den Elefanten im Raum, oder eher, auf die Elefantin, auf die Frauenfrage. Ja, Frauen waren Hierarchien unterworfen, unterdrückt und ausgebeutet. Von Männern. Wie ein Paukenwirbel wirkte Schwarzers Buch „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“ als es 1975 herauskam, ein Bestseller, übersetzt in zwölf Sprachen.
Gesprächsprotokolle mit Hausfrauen, Studentinnen, Sekretärinnen berichten über Hausarbeit, Geldsorgen, Gewalterfahrungen, Abtreibung, sexuelle Probleme – viel Alltägliches, für das es im Alltag noch kaum Worte gab. Es war ein Angriff auf Tabus, just als Pille, Pornos und „Sexwelle“ sexuelle Befreiung versprachen, aber Frauen verstärkt zu Objekten machten.
A wie Angelpunkt: Sexualität, schrieb Schwarzer, sei „der Angelpunkt“ der Frauenfrage. „Hier fallen die Würfel. (…) Hier steht das Fundament der männlichen Macht und der weiblichen Ohnmacht.“ Viele Frauen fühlten sich nicht länger allein. „Das Buch machte mich mit einem Schlag berühmt und berüchtigt“, freute sich Schwarzer später. „Für die einen war ich die Buhfrau der Nation, für die anderen eine Vertraute.“ Mit einem Mal war die Elefantin im Raum nicht mehr unsichtbar, sondern zog durch die Porzellanläden des Patriarchats.
A wie Autonomie. Elementar für den Feminismus ist Selbstbestimmung über den eigenen Körper, über intime Beziehungen, Verhütung, Schwangerschaft, Abtreibung, Lebensformen. Dass „der kleine Unterschied“ manifeste Ungleichheiten legitimierte, sollte nicht länger hingenommen werden als „natürlich“, sondern verstanden werden als kulturell und veränderbar.
Sexualität - hier fallen die Würfel.“
Alice Schwarzer
A wie Aufklärung. Wegweisende Impulse erhielt Alice Schwarzer in Frankreich, wohin sie zunächst, mit zwanzig, als Au-Pair kam. Am 3. Dezember im Kriegsjahr 1942 in Wuppertal auf die Welt gekommen, war das Einzelkind einer ledigen Mutter bei Großeltern aufgewachsen. Nach Handelsschule und Lehre wollte die junge Frau in Paris mehr sehen von der Welt. Es folgte ein Zeitungsvolontariat in Düsseldorf, und die Rückkehr nach Paris als Korrespondentin und Studentin der Soziologie. Dort schloss sie Freundschaft mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, von dort trug sie den französisch geprägten Mut zur Aufklärung nach Deutschland.
A wie Autorität. Mit dem Erlös aus dem „Kleinen Unterschied“ gründete sie 1977 in Köln ein feministisches Archiv und die Zeitschrift „EMMA“, die inzwischen vierteljährlich erscheint. Nebenher schreibt Schwarzer Bücher, sie diskutiert in Talkshows, reist, redet, rät in Quizsendungen und scherzt dort mit einem Fußballer wie Sepp Maier, egal, was ihre Freundinnen dazu sagen. Unglaubliche Energie, enorme Präsenz, starke Erfolge, kraftvolle Autorität – das hat große Folgen. Das brachte auch Eifersucht mit sich, Konflikte im Team. Schwarzer, die Linke, die zur Wahl von Angela Merkel als Kanzlerin aufgerufen hatte, blieb stets staunenswert souverän.
A wie Argumente. Heute engagiert sich Schwarzer gegen Islamismus, und erntet dafür Empörung wegen ihres angeblich „weißen Feminismus“. Besorgt über das „Säbelrasseln“ in der deutschen Politik anlässlich der russischen Invasion der Ukraine, unterzeichnete sie einen Offenen Brief für Friedensverhandlungen, unbeirrt von Vorwürfen der Naivität. Auch mit dem woken Ambiente legt sie sich an, und sie, die sich als bisexuell bezeichnet, gilt einigen als „transphob“.
Sie ist überzeugt davon, dass das biologische Geschlecht zwar den Vorwand für soziale Geschlechterrollen liefert, aber keinen Grund zur „fundamentalen Leugnung des biologischen Geschlechts“. Darin erkennt Schwarzer „magisches Denken“, und sie fürchtet, dass es zunimmt. Deshalb widmet sich die Mitte Dezember erscheinende Ausgabe der Emma diesem Thema.
A wie Amour. „In 50 Jahren Frauenbewegung werden wir nicht 5000 Jahre Patriarchat überwinden“, weiß Alice Schwarzer. Sie hat auch eine große Begabung zum Glück. Ein halbes Jahr nach Einführung der „Ehe für alle“, im Juni 2018, heiratete Alice Schwarzer ihre langjährige Lebenspartnerin, die Fotografin Bettina Flitner.
Wie intensiv beide einander unterstützen, wird in dem ergreifenden und klugen Buch deutlich, das Flitner im April über ihre eigene Kindheit veröffentlichte. Was sie sich zum Geburtstag wünscht? Da ist Alice Schwarzer lakonisch: „Für die Welt: Frieden. Für die Frauen: Weniger Männergewalt. Für mich: Etwas mehr Muße.“
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