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Nur mit Gitarre. Birger Heymann bei der Arbeit im Grips Theater.

© (c) Birger Heymann

Zum Tod von Birger Heymann: Hymnen für Punks, Spießer und Kids

Bloß nicht erwachsen werden: Der Grips-Theater-Komponist Birger Heymann ist tot.

Er hat Deutschland das bedeutendste Nachkriegs-Musical beschert – indem er den Berliner U-Bahn-Fahrplan vertonte. Er hat mit seiner Gitarre die Frauenbewegung beflügelt und allen, die hierzulande in den siebziger und achtziger Jahren aufwuchsen, Kindheitshymnen geschenkt. Birger Heymann, Komponist der Gripstheater-Erfolgsrevue „Linie 1“ und von Dutzenden Songs wie „Wer sagt, dass Mädchen dümmer sind“, „Wir sind Kinder einer Erde“ und „Wir werden immer größer“, ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 69 Jahren in einem Berliner Krankenhaus, wie „Linie 1“-Autor und Gripstheater-Gründer Volker Ludwig mitteilte.

„Fahr mal wieder U-Bahn“, „Marias Lied“, die Schunkel-Kampfansage der Wilmersdorfer Witwen: Seit der Uraufführung 1986 machen die „Linie 1“-Songs der Stadt Beine, seinerzeit vor allem dem West-Berliner Biotop, den Punks wie den Spießern. Das Rockmusical wurde Kult, ein Klassiker, ein Exportschlager. Dank namibischen, indischen, israelischen oder New Yorker „Linie 1“-Versionen und Gastspielen kennt heute alle Welt Heymanns Melodien; in Korea avancierte „Seoul Linie 1“ sogar zum Musical-Hit Nummer eins.

So weit kann es ein Kreuzberger bringen – wenn er Gitarre spielen kann. Den Lebenslauf auf seiner Website hat Birger Heymann selbst verfasst: 1943 an der Linie 1 geboren, heißt es da, „üblicher Schulbesuch, Musikstudium, klassische Gitarre, Klavier, erste kompositorische Studien praxisbezogen bei den Wühlmäusen, beim Studentenkabarett Bügelbrett und beim Reichskabarett (1969), aus dem sich später das Gripstheater entwickelte“.

Heymann wurde Chefkomponist der Kinder- und Jugendbühne, er schrieb die Musik zu „Max und Milli“, „Heile heile Segen“, „Baden gehn“, „Melody’s Ring“ und vielem mehr. Ohrwürmer für jedes Alter, kindgerecht, aber nie kindisch, sondern ganz schön anspruchsvoll, mit Takt- und Stimmungswechseln von ironisch bis sentimental. Und vor allem mit Temperament und Empathie für jene, die die 68er sonst eher links liegen ließen: die Kids.

Unermüdlich vertonte Heymann die Texte von Volker Ludwig, all die fröhlich-frechen Mutmacher für Minderjährige. „Große bleiben gleich groß oder schrumpeln ein / Wir werden immer größer – ganz von allein!“: Dass man den Vers selbst nach dem Ende der Kindheit nicht mehr vergisst, ist nicht zuletzt Heymanns Tönen zu verdanken. Er gab sie gern auch persönlich zum Besten, in der „Sesamstraße“ oder der „Rappelkiste“. Was weniger bekannt ist: Er komponierte außerdem reichlich Erwachsenen-Musik, ein „Eins Zwei Drei“-Musical für das Theater des Westens und Filmmusik für die TV-Serie „Ein Fall für zwei“, den „Polizeiruf“ oder den „Tatort“. Seine größte Leidenschaft galt jedoch zeitlebens den Kindern: „Ich habe immer nur Musik gemacht, um nicht erwachsen zu werden,“ schrieb Birger Heymann auf seiner Website. Allein dafür gebührt ihm die Gunst der Himmelsgeister.

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