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Prinz Rudolf zur Lippe.

© Uni Oldenburg

Zum Tod von Rudolf zur Lippe: Er brachte das Denken zum Tanzen

Rudolf zur Lippe war Künstler-Philosoph. 82-jährig ist der Prinz in seiner Geburtsstadt Berlin gestorben. Bis zuletzt malte er und engagierte sich.

Noch vor ein, zwei Monaten trat er öffentlich hervor als Mitorganisator der Initiative „Schönheit gegen Gewalt“, einer Bürgerinitiative, mit der sich die Bewohner gegen das Absinken ihres Viertels zur Wehr setzen. Mit Musik von Händel und Purcell kämpfte sie gegen das kriminelle Treiben, das einen kleinen Platz an der Fugger- Ecke Eisenacher Straße bedroht. Der Auftritt passte zu Rudolf zur Lippe, der – selbst dort wohnhaft – eine ungewöhnliche, in manchem exzentrische Persönlichkeit war.

Der aristokratisch wirkende, dabei ausgesprochen liebenswürdige Mann war ordentlicher Professor der Philosophie, aber auch Maler, und das alles über die Grenzen der Disziplinen und Konventionen hinaus. Denn dieser Spross des hochadligen Hauses Lippe, der bürgerlich Prinz zur Lippe hieß, floss über vor Interessen und Begabungen. Er hatte Jura und Volkswirtschaft studiert, übersetzte, wurde Lektor im Propyläen-Verlag, und begann seine Habilitation noch bei Theodor W. Adorno in Frankfurt, bevor dieser 1969 starb.

Da hatte er schon prägende Einflüsse als Schüler von Karlfried Graf Dürckheim erfahren, der in den fünfziger und sechziger Jahren in der Bundesrepublik eine große Rolle als Vermittler japanischer Weisheit spielte. Zumindestens in Lippes Malerei war die fernöstliche Inspiration bis in seine späten Jahre zu spüren.

Das alles summierte sich in einem ganz eigenen Format als Intellektueller und Zeitgenosse. Die Professur, die Rudolf zur Lippe seit 1974 an der neu gegründeten Universität Oldenburg innehatte, galt der Sozialphilosophie und der philosophischen Ästhetik. Aber seine umfangreichen Veröffentlichungen kreisten um so weit gespannte Themen wie die Körperlichkeit, das Sinnenbewusstsein und die Geometrisierung des Menschen.

Immer aber hatte er das Ziel, das der Titel seines 2010 veröffentlichten Buches geradewegs gestisch zum Ausdruck brachte: „Das Denken zum Tanzen bringen“. Es versprach nichts Geringeres als – so der Untertitel – eine Philosophie des Wandels und der Bewegung.

Zu diesem Denken gehörten scheinbar fernliegende Aktivitäten, in denen zur Lippe seine Talente auslebte. So arbeitete er in Paris praktisch bei dem Regisseur Raymond Gérome. Gerne zeigte er einen Film, den er damals über Maurice Béjart gedreht hatte, den bedeutenden Erneuerer des Balletts in den sechziger Jahren. Als Mensch mit weitem Gedankenflug dachte zur Lippe auch über Ökonomie und Kosmologie und das künftige Verhältnis der Weltkulturen nach. Ihm galt sein letztes, 2018 erschienenes, programmatisch gemeintes Buch. Es heißt „Mit und von einander Lernen der Kulturen. Für eine gegenseitige Aufklärung“.

Ihm hing ein Hauch Unzeitgemäßheit an

Nach seiner Emeritierung verlegte Rudolf zur Lippe seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin, seine Geburtsstadt. Man sah und traf ihn bei vielen Kulturveranstaltungen – unübersehbar die elegante, überschlanke Gestalt, die scharf geschnittene Physiognomie, einnehmend und einprägsam die geistreiche Suada, auch ein Hauch von Unzeitgemäßheit, der ihm anhing.

Mit seiner „Stiftung Forum der Kulturen“ beteiligte er sich an den kulturpolitischen Debatten in Berlin. Und unermüdlich widmete er sich, der in den sechziger Jahren mit Bernhard Heiliger und Alexander Camaro zusammengearbeitet hatte, seinen lockeren, asiatisch anmutenden Zeichnungen und Malereien. Am vergangenen Freitag ist Rudolf zur Lippe 82-jährig gestorben.

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