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Sommernächte (4): Weckerklingeln: Zwischen Schlaf und Tag

Lang ersehnt, erträumt, erdichtet und erinnerungsträchtig: Sommernächte sind die schönste Auszeit des Jahres. In den Ferien erzählen wir an dieser Stelle davon. Diesmal: Weckerklingeln

Steglitz, erstes Morgenlicht, wir sitzen auf dem Spielplatz und gucken in die Bäume. Ob wir auf der steinernen Tischtennisplatte sitzen oder auf einer der Bänke, so genau ist die Erinnerung nicht mehr, es ist warm und ruhig, wir tragen T-Shirts, Flaschen in der Hand. Wir trinken noch, nicht schon. Warum auch nicht, irgendwann ist wieder Uni, aber nachmittags, wir haben Zeit.

Was die Uhr sagt, keine Ahnung mehr, es wird fünf sein oder sechs, egal. Wir reden, was man jetzt halt noch redet, vielleicht darüber, in welchen Geschmacksrichtungen es Shisha-Tabak gibt, Apfel, Banane, Melone. Apfel ist am besten, das merke ich später, da sitzen wir in deiner WG auf Kissen und rauchen, die Zeitebenen gehen schon mal durcheinander in so einer Sommernachtserinnerung.

Die Stadtautobahn in Hörweite, leises Rauschen

2001, 2014, ist doch egal, wie man halt so sitzt und guckt und nachdenkt, über WGs und Freunde und Uni, die neue Welt Berlin und alles. Um den Spielplatz herum sind die Kopfsteinpflasterstraßen leer, schlafen die Häuser, ein paar Neubauten, ein paar Altbauten, die riesige Baumarkt-Werbung. Die Stadtautobahn in Hörweite, leises Rauschen. Ein Bier steckt bestimmt noch im Rucksack, zwei sogar, na also.

Neulich haben wir uns wieder getroffen, nach zehn Jahren, zufällig im ICE, du hast erzählt, wie du dir irgendwann beim Armdrücken auf einer Party Elle und Speiche gebrochen hast, dumme Sache, langwierig, Krankengymnastik, so richtig gerade ist der Arm auch noch nicht wieder. Das Schlimmste, sagst du, sei nicht der Schmerz gewesen, sondern das Geräusch, ein unwirklich lauter Knall, du hast dich erschreckt und gedacht, irgendwo sei ein Tablett vom Tisch gefallen.

Eigentlich ist ja schon morgen, fühlt sich aber an wie heute

Aber das ist später, jetzt ist es gerade noch still, der Himmel wird langsam blau, die S1 fährt auch schon wieder. Wir gucken in die Bäume, gähnen, freuen uns, wie kühl das Bier noch ist, ein paar Schlucke noch. Dein Fahrrad lehnt am Stromkasten, ich hab nur ein paar Schritte bis nach Hause. Eigentlich ist ja schon morgen, fühlt sich aber an wie heute, manche Tage hören einfach nicht auf, fangen einfach nicht an.

Wir sitzen, um uns die Häuser, die angekippten Fenster. Wohngegend, Wochentag. Und jetzt: Biep. Biep. Biebiebiebiep. Noch einer. Biep. Und ein dritter. Riesen-Plastik-Biep. Lauter als die Vögel, durchdringend, unerbittlich. Die Bewohner lassen sich wecken, jetzt ist heute, das ist der Moment. Ha, Grinsen. Wir heben unsere Flaschen, klonk, nur noch ein bisschen, ein Schlückchen noch, noch einmal umdrehen, ach bitte, nur zehn Minuten.

Weitere Texte der Serie: Draußenschlafen (10.7.), Die Nachtigall (13.7.), Sommerdüfte (16.7.), Marseille (24.7.), Hoteltipps (27.7.), Seenot (30.7.), Wintersehnsucht (2.8.), Glühwürmchen (7.8.), Dunkelheit (10.8.), Fähren (14.8.), Mücken (20.8.), Lebensfries (24.8.)

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