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Es wird doch nicht an den Fragen liegen, dass die Medienanstalt Berlin-Brandenburg den „Bild“-Stream künftig kontrollieren möchte?

© Tsp

Streit um Sende-Lizenz: Ist das schon Rundfunk?

Die „Bild“ geht wegen des Streits um eine MABB-Lizenz für ihre Livestreams vor Gericht. Diese Frage sei grundrechtsrelevant.

Drei Video-Formate der „Bild“-Zeitung beschäftigen derzeit das Verwaltungsgericht Berlin. Springers Boulevardblatt hat Klage wegen eines Bescheids der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) erhoben, die das Unternehmen aufforderte, eine Rundfunklizenz für seine Livestreams zu beantragen. Das Gericht soll nun klären, ob es sich bei den Sendungen „Bild live“, „Die richtigen Fragen“ und „Bild Sport-Talk mit Thorsten Kinhöfer“ um Rundfunk handelt.

Im April hatte die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) die MABB angewiesen, die Streams zu verbieten, sollte „Bild“ keine Rundfunklizenz beantragen. Das Unternehmen klagte und bat das Gericht, die sofortige Vollziehung des MABB-Bescheids auszusetzen, um zunächst weiter senden zu dürfen. Dem Vernehmen nach will die MABB bis Ende Juni auf eine Vollziehung verzichten. Eine endgültige Entscheidung des Gerichts wird in den kommenden Monaten erwartet.

„Wir sind der Auffassung, dass es sich bei den beanstandeten Formaten in ihrer aktuellen Ausgestaltung nicht um zulassungspflichtigen Rundfunk handelt“, erklärte ein Sprecher des Springer-Verlags. „Die fraglichen Bewegtbild-Angebote sind weder zum zeitgleichen Empfang bestimmt noch werden sie entlang eines Sendeplans verbreitet.“

Doch die Medienaufsicht hat Einwände. Marco Holtz, stellvertretender MABB-Direktor, erklärt, laut Rundfunkstaatsvertrag sei Rundfunk ein lineares Videoangebot, das live und nicht auf Abruf gesendet werde und journalistisch-redaktionell entlang eines Sendeplans gestaltet sei. „Das würden wir im Fall der ,Bild’-Livestreams bejahen, weil sie regelmäßig und häufig ausgestrahlt werden“, sagte Holtz.

Es gebe zwar keinen „klassischen Sendeplan wie in der alten TV-Welt, der vorher in einer Programmzeitschrift gedruckt wird. Aber die Streams fallen aus unserer Sicht in den Rechtsrahmen, der mit dem Begriff Sendeplan definiert ist.“ Bei „Bild“ seien zudem die „Breitenwirkung und Suggestivkraft von Rundfunkangeboten“ gegeben, sprich ihr erwarteter Einfluss auf die Meinungsbildung, deretwegen es die Regulierung gebe.

Aus guten Gründen frei von staatlicher Regulierung

Das beanstandete Politik-Format „Die richtigen Fragen“ wird am Montagmorgen um acht Uhr live auf Bild.de gesendet und ist danach online abrufbar. Der Sport-Talk findet im Anschluss von Fußballspielen statt. „Bild“ argumentiert, die meisten Zuschauer würden nicht live einschalten, sondern die Streams später anschauen. Man stelle Videos ins Netz, die am Anfang auch live geschaut werden könnten, heißt es.

Mit dem Format „Bild live“, das zuvor unter dem Namen „Bild Daily“ täglich zur selben Uhrzeit ausgestrahlt wurde, habe man bereits auf Kritik der Medienanstalt reagiert, sagte „Bild“-Anwalt Claas-Hendrik Soehring. Man sende nur noch spontan-anlassbezogen zu unterschiedlichen Tageszeiten, zum Beispiel bei Terrorlagen. Damit folge der Stream keinerlei Sendeplan.

Anders als bei Fernsehsendern würden Live-Videos nur einen Bruchteil des redaktionellen Angebots auf Bild.de ausmachen, publizistischer Schwerpunkt seien „eindeutig klassische Presseinhalte“. „Diese Frage sei grundrechtsrelevant, findet Soehring, „denn aus guten Gründen ist die Presse in Deutschland seit vielen Jahrzehnten frei von staatlicher Regulierung“.

Sollten die Livestreams letztlich als Rundfunk eingestuft werden, unterstünden sie der Aufsicht der MABB, etwa im Hinblick auf Jugendmedienschutz, Sorgfalts- und Transparenzpflicht. Bei der Werberegulierung ist die Medienanstalt schon jetzt zuständig für die Online-Angebote der „Bild“.

Der Rechtsstreit verdeutlicht, was Medienmacher und Regulierer seit Langem kritisieren: Bei Streaming-Angeboten sei der Rundfunkbegriff nicht mehr zeitgemäß. Die Frage, wann Streaming Rundfunk ist, wurde schon debattiert, als die YouTuber PietSmiet und Gronkh im vergangenen Jahr Lizenzen für ihre Videoangebote beantragen sollten.

Die Entscheidung des Gerichts im Fall „Bild“ könnte also Maßstäbe für die Branche setzen. Einige Redaktionen nutzen mehr oder minder ausgiebig Streaming-Tools wie „Facebook live“ oder stellen ihre Videos auf Abruf ins Netz. Je nach Ausgang des aktuellen Rechtsstreits könnten die Landesmedienanstalten künftig auch für andere Streams Lizenzen fordern. „Momentan prüfen wir konkret keine weiteren Angebote, aber wir beobachten den Markt“, sagte Marco Holtz. „Bild“-Anwalt Soehring erklärte: „Eine Entscheidung der Gerichte in dieser umstrittenen Grundsatzfrage kann dringend benötigte Rechtssicherheit schaffen. Davon würde letztlich die ganze Branche profitieren.“

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