
© Sotheby's, New York
„Mehr Licht!“ im Düsseldorfer Kunstpalast: Lob des Lichts, der Luft und des schlechten Wetters
Tausendsassa Florian Illies präsentiert ein lange unterschätztes Genre. Rund 170 Ölstudien des 19. Jahrhunderts zeugen vom malerischen Umbruch auf kleinstem Raum.
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Skizzenhafte Freilichtmalerei der Impressionisten kennt man aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: als typischen Versuch, der Fotografie etwas entgegenzusetzen. Aber waren sie die ersten, die in der Natur nach dem Zauber flirrender Lichtreflexe fahndeten? Bereits Ende des 18. Jahrhunderts zog es Maler immer öfter hinaus, raus aus der Atelierroutine, rein in die Unmittelbarkeit der erlebten Eindrücke.
Die Herstellung von Ölskizzen unter freiem Himmel wurde deshalb zum festen Bestandteil der Ausbildung europäischer Landschaftsmaler. Mit dem Aufkommen der Tuben mussten die Farben ohnehin nicht mehr in Schweineblasen transportiert werden. Ein Glücksfall für all jene, die ihrem Bewegungsdrang nachgeben wollten.
Die kleinformatigen Studien entstanden meist auf Papier und Pappe, seltener auf Holz und Leinwand, um das Auge und die Schnelligkeit der Hand zu trainieren. Ihr Zweck bestand nicht darin, ausgestellt oder verkauft zu werden. Deshalb fehlt auch nicht selten die Signatur.
Sie dienten als Erinnerungsinstrument, schlummerten in Mappen, um bei Bedarf den eigentlichen Auftragswerken Frische zu verleihen. Strotzen diese ungerahmten Motivsammlungen deshalb vor Innovation? Und erreichen auf dem Markt heute mitunter höhere Preise als die Ateliergemälde der gleichen Künstler?

© Die Lübecker Museen, Museum Behnhaus Drägerhaus / Foto: Michael Haydn
Selbst schlechtes Wetter ist einer hastigen Betrachtung würdig. Es ist kaum anzunehmen, dass sich für ein aufziehendes Gewitter mit Nebelschwaden und dem von Wolken ausgebremsten Licht zur Entstehungszeit ein Käufer gefunden hatte. „Mehr Licht. Die Befreiung der Natur“ nennt Florian Illies seine zusammen mit Co-Kuratorin Anna Christina Schütz konzipierte Hommage an diese erstaunliche Kunstform.
Neben Größen wie Corot, Achenbach, Blechen oder Friedrich ist auch Rosa Bonheur als einzige freilichtbewegte Malerin dabei. Mit Ölstudien beschäftigt sich der als Bestseller-Autor, Verleger, Feuilletonist und Geschäftsführer eines Auktionshauses bekannte Multi-Jobber seit geraumer Zeit. Das sieht man der in farbig getönten Räumen so breitangelegten wie beinahe lyrischen Feier des Moments auch an.
Die delikate Lichtdramaturgie lässt keine Wünsche übrig und die Rahmung keinen Zweifel daran: Es handelt sich um Kunstwerke, nicht um ein Abfallprodukt. Man taucht in Kapitel wie „Die italienische Erleuchtung“ ein, „Die Jagd nach dem Augenblick“ oder in „Die Krone der Schöpfung. Bäume im Porträt“. Natürlich geht es auch um Wolken, bei Johann Jakob Frey gleich mehrfach. Der italienische Himmel hatte ihn offenbar zum manischen Studium der wechselnden Formationen angestachelt.
Der ähnlich wenig bekannte Heinrich Reinhold verbrachte 1823 seine Tage an der Küste von Sorrent mit der Beobachtung der Wellen – und des sich ändernden Lichts, das er immer wieder einfing. Beide Vorläufer eines Claude Monet, dem die Motive eines Heuhaufens oder einer Kathedrale erst Jahrzehnte später für unendliche Tagesvariationen dienten.
„Leg dich an einem schönen oder auch windigen Tag in den Wald, dann weißt du alles selbst.“ Der Satz von Robert Musil steht in einem Raum als Handlungsanweisung geschrieben. Die fragmentierten Baumausschnitte beschwören eine Zeit der Unschuld und wirken beinahe unheimlich modern. Man kommt nicht umhin an die gegenwärtig Gefährdung der Natur zu denken.
Die Ehrfurcht, mit der die Maler vor 200 Jahren ihre oft unfertigen „Schnappschüsse“ schufen, hat etwas Tröstliches. Schließlich mussten sie bei ihrem Motiv länger verbleiben als ihre Smartphone-Wiedergänger. So gelang ihnen manch Schlenker in die Zukunft, wenn Arnold Böcklin 1846 etwa mit seinem „Teich mit Seerosen“ unfreiwillig ins abstrakte Fach der Farbfeldmalerei wechselte – eine Augenweide, wie die ganze luzide über den kunsthistorischen Wolken schwebende Preziose.
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