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Darüber spricht ganz …: ... Rumänien

Thomas Roser über einen neuartigen Vorschlag zur Bewältigung der Hitzeplage im Land

Heiß rinnt der Schweiß zwischen Donau und Theiß. Ob in transsilvanischen Höhen, am Schwarzmeer-Gestade oder in der stickigen Ebene der Walachei: Fast täglich purzeln in Rumänien die Hitzerekorde. Wer kann, der hat die Fassaden des eigenen Palastes längst mit den weißen Zauberkästen versehen, die lindernde Rettung aus dem Jammertal des bullernden Balkan-Hochs versprechen. Unablässig rotieren über den schattenlosen Straßenschluchten der Asphaltmetropole Bukarest die Ventilatoren: Die Klimaanlagen haben den derzeitigen Energieverbrauch in Rumänien selbst über den zu Zeiten des Winterfrosts klettern lassen.

Doch nicht alle Rumänen können sich den Segen einer Air Condition gönnen. Vor allem Ältere haben während des Jahrhundertsommers mit Kreislauf- und Atembeschwerden zu kämpfen. Mehrere Dutzend Hitzetote vermeldeten die heimischen Medien allein in den letzten Tagen. Ausgerechnet aus dem vom Hochwasser heimgesuchten Großbritannien kam nun für Rumäniens hitzegeplagte Rentner ein möglicherweise lebensrettender Rat: Auf der Meinungsseite der Zeitung „Romania Libera“ schlug der britische Konfliktforscher Tom Callagher die Unterbringung der Bukarester Pensionäre in den hohen Hallen des klimatisierten Parlamentspalastes vor.

Die Hitzewelle beweise einmal mehr, dass der rumänische Staat von Grund auf reformiert werden müsse, so der an der Universität Bradford lehrende Balkanexperte: Ansonsten werde dieser ein „Klub unfähiger Leute“ bleiben, die sich allenfalls mit den eigenen Privilegien und dem Fortbestehen ihrer „kafkaesken Existenz“ beschäftigten. Mit der Öffnung der Tore des von Ex-Diktator Nicolae Ceausescu errichteten Kolosses für die Rentner könnten die Parlamentarier endlich beweisen, was wahre Würdenträger seien: „Personen, die im Dienste des Volkes stehen, das plötzlich in Gefahr ist.“

Platz gäbe es in dem zweitgrößten Bauwerk der Welt für Hitzeflüchtlinge in der Tat genug. Im monströsen „Haus des Volkes“ residieren zwar Kongress und Parlament. Ansonsten pilgern Touristenkolonnen unter den tonnenschweren Lüstern durch kühle, auffällig leere Marmorhallen. Die Volksvertreter hüllen sich zu dem Vorschlag des Parlament-Sharing in branchenunübliches Schweigen. Doch zumindest bei Rumäniens Internetsurfern hat der Brite einen regen Sommer-Chat entfacht. Als „exzellent“ und „interessant“ würdigen viele die Idee eines parlamentarischen Hitzecamps. Andere hingegen fragen sich, mit welchen Missständen in der britischen Oligarchie die dortige Hochwasserplage zu erklären sei.

Thomas Roser

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