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Ein Zwischenruf zu …: … Vera

In diesen wonnigen ersten Mai-Tagen brüten etwa 22 000 Drittklässler in Berlin über Aufgaben in Deutsch und Mathematik. Sie sind in guter Gesellschaft, denn alle Gleichaltrigen in Deutschland machen es so.

In diesen wonnigen ersten Mai-Tagen brüten etwa 22 000 Drittklässler in Berlin über Aufgaben in Deutsch und Mathematik. Sie sind in guter Gesellschaft, denn alle Gleichaltrigen in Deutschland machen es so. Die jährlich durchgeführten Vergleichsarbeiten (Vera), für die sie lernen, sind eine Lernstandserhebung gewaltigen Ausmaßes. Es ist deshalb geradezu eine staatsbürgerliche Pflicht, nach deren Sinn und Zweck zu fragen.

Eine Aufgabe könnte übrigens so aussehen: „Nomen: Spiel; Adjektiv: spielerisch; Verb: ?“. Die Neunjährigen sollen dabei demonstrieren, ob sie verstanden haben, wie Wortbildungen in Wortfamilien strukturell geregelt sind, eine Grundkompetenz fürs Deutsch- und Sprachenlernen.

Die im Vorfeld von Lehrern breit diskutierte Frage, ob die Tests überhaupt sinnvoll sind, da die meisten Kinder in sozialen Brennpunktschulen nicht einmal die Aufgabenstellung verstehen könnten, lasse ich einmal außen vor, denn darauf kommt es in diesem Moment nicht an. Viel wesentlicher ist die Frage, was nach den Prüfungen passiert, denn diese werden ja gerade anberaumt, um Kinder zum Schulerfolg zu führen, nicht um sie auszusondern.

Ja, was nur? Wenn es doch darauf bloß eine Antwort gäbe. Zuerst zum Umgang mit den Ergebnissen: Wer bekommt sie überhaupt zu sehen? Bleiben sie das Herrschaftswissen der Schulen, der Klassenlehrer und der Bildungsverwaltung oder gibt es verpflichtende Rückmeldungen an Eltern, Schüler und schulischen Gremien? Dürfen die Schulen ihre Ergebnisse, wenn sie Anlass zur Leistungsfreude sind, ins Internet stellen? Werden Schulen öffentlich genannt, wenn sie trotz schwieriger Ausgangsbedingungen erfolgreich waren? Woran wohl nicht einmal im Traum gedacht wird, ist die allgemeine Veröffentlichung für alle Interessierten. Natürlich wäre das bedenklich, weil viele Eltern dann noch entschiedener die gute Schule für ihr Kind erkämpfen würden. Dennoch wäre es der richtige Weg. Berlin braucht den Bildungsweckruf, auch wenn er hart in den Ohren klingen sollte.

Denn es geht doch ganz und gar nicht, dass wir sehenden Auges bei Tausenden von Kindern, die nicht oder kaum die Mindestanforderungen erreichen, einfach alles so lassen, wie es derzeit ist. Noch haben wir bis zum Sekundarschul-Übergang drei Schuljahre Zeit, um sie optimal zu fördern. Wird diese Chance vertan, lautete die zynische Botschaft aus der Hauptstadt: „Unterschichtkinder“ sind Berlin nicht wichtig.

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