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Meinung: Abseits der Wanderdüne

Eine Niederlage für Berlin? Nein, denn die Stadt braucht andere sportpolitische Visionen

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Glück gehabt! Da ist Berlin gerade noch einmal davongekommen: Im Olympiastadion werden in sieben Jahren nun doch nicht ein paar Spiele der sowieso zerfledderten und über den ganzen Kontinent verteilten Fußball-Europameisterschaft 2020 ausgetragen. München darf als kleiner deutscher Teil dieser großen europäischen Event-Wanderdüne mitmachen – die Sportstadt Berlin muss vom Rand aus zuschauen. So hat es der Deutsche Fußball-Bund am Freitag entschieden. Und Berlin wieder mal eine sportpolitische Niederlage beigebracht. Aber was soll’s: Diese Niederlage schmerzt überhaupt nicht.

Berlin bleibt auch so Berlin, auch im Sport. Die Stadt spielt wieder beim Spektakel Bundesliga mit, und das zum Start als Aufsteiger gar nicht mal so schlecht. Berlin hat auch in diesem Herbst große Sportereignisse zu feiern – wie den alljährlich die ganze Stadt bewegenden Marathon oder das Leichtathletik-Fest Istaf an diesem Sonntag. Berlin wird in zwei Jahren das Champions-League-Finale ausrichten – die rotzige Antwort der Hauptstadt auf das Münchner „Finale dahoam“ könnte dann heißen: „Finale? Nur nach Hause fahr’n wa nich!“

Und ganz ausgeschlossen ist ja auch nicht, dass Berlin einfach das nächste Endspiel bekommt. Wenn sich der deutsche Fußball tatsächlich um die EM 2024 bewirbt. Wo soll bei einem Zuschlag wohl sonst der finale Ball rollen? Berlin hat also genug, und ist sich ja manchmal auch selbst genug.

Sport ist Wettbewerb. Und da muss man auch mal unwichtige Spiele verlieren können, um später das große Ganze zu gewinnen. Berlin braucht auch sportpolitisch ganz andere Visionen als eine gesplittete und daher fan-unfreundliche Europameisterschaft: Nach der glamourösen, das ganze Land beschwingenden Fanmeilen-Fußball- WM von 2006 kann diese Stadt der Welt ein neues Bild von Deutschland vermitteln, am besten ein modernes multikulturelles: Leicht würde das gelingen mit Olympischen Sommerspielen, dem Karneval der Kulturen des Sports.

Berlin hat längst alle Voraussetzungen: genügend Hotels, eine gute Verkehrsinfrastruktur (zumindest fährt die S-Bahn im Sommer fast nach Fahrplan), moderne Stadien und eine große Begeisterung für alles, was in Bewegung ist. Wie die Stadt selbst. Nur einen neuen Flughafen, nun ja, den müsste man irgendwie und irgendwann...

Im olympischen Hindernisrennen hat Berlin die Latte gerissen. Die peinliche Kampagne für die Spiele 2000 hat der deutsche Sport nicht vergessen. Doch besser waren die Anläufe von Leipzig für Sommerspiele (falsche Stadt) und München für Winterspiele (falscher Zeitpunkt) auch nicht. Große Visionen mit Deutschlands einziger Stadt von Welt hat der organisierte Sport zurückgestellt – zumindest so lange, wie Thomas Bach noch nicht IOC-Präsident ist. Danach ist vielleicht erst mal wieder München dran mit einer Trostbewerbung für Winterspiele – auch, weil sich sonst kaum eine Stadt dafür findet. Aber irgendwie und irgendwann wird der deutsche Sport sich erneut etwas trauen und für das größte Fest des Weltsports bewerben. Dann wird Berlin ins Rennen gehen müssen, wenn Deutschland gewinnen will. Bis dahin spielt mal schön.

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