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Meinung: Andere Maßstäbe

„Der Kollege als Stechuhr“ von Burkhard Müller-Ullrich vom 3. Januar Ein großes Dankeschön für diesen erhellenden Artikel, selten kommt die Seligsprechung der marktradikalen Ordnung derart offen daher.

„Der Kollege als Stechuhr“

von Burkhard Müller-Ullrich vom 3. Januar

Ein großes Dankeschön für diesen erhellenden Artikel, selten kommt die Seligsprechung der marktradikalen Ordnung derart offen daher. Wir wissen nun: So stellt sich ein Vordenker die Welt vor – in der er selbst nicht lebt.

Was lernen wir von Müller-Ullrich? Zunächst, dass die Entlohnung nach Zeit und Geld nicht in der wirtschaftlichen Realität entstanden, sondern eine Erfindung von Karl Marx ist. Ein erschreckender Gedanke: Marx hat das kapitalistische Lohnsystem erfunden! Durfte er das überhaupt? Jetzt ist mir manches klar.

Sodann lernen wir, dass gewisse Menschen nicht für Zeitaufwand, Anstrengung oder Qualifikation ( altmodisch „Leistungsprinzip“) bezahlt werden, „sondern für ihr So-Sein“. Um gleich auf den Punkt des Autors zu kommen: Wie sind sie denn so, die Topmanager? Was begründet ihre binnen kurzer Zeit maßlos gestiegenen Verdienste? Müller-Ullrich kennt das Geheimnis: Im Kern hängt die Managervergütung „vom wichtigsten Faktor allen Marktgeschehens ab: von der Nachfrage“, und zwar in Gestalt „zahlungswilliger Kunden und Mandanten, die den Preis hochtreiben.“ Im Ernst: Das ist rein empirisch Unsinn. Bislang wusste in Deutschland der „Kunde“ oder „Mandant“ (z. B. der Besitzer einer Aktie) nicht einmal, was der Topmanager als sein „Kundenbetreuer“ verdiente. Wo ist da der Markt? In Amerika hat man in der Diskussion über die Managereinkünfte von derart lächerlichen Begründungen längst Abschied genommen; man spricht frank und frei von „greed“ (Gier) und von den Aufsichtsgremien, die diese Gier bedienen, indem sie an ihr teilhaben. Das „Gesetz“ von Angebot und Nachfrage mag an vielen Stellen gelten, bei den Managergehältern sicherlich nicht.

So ärmlich begründet ist also das „So- Sein“ der Spitzenverdiener. Dumm nur, dass die Mehrheit der Bevölkerung (noch) andere Wertmaßstäbe hat. Deshalb der beliebte Nachsatz: „Wer lamentiert, ist geistlos“ oder vom blanken Neid getrieben. Topmanager und ihre Publizisten verweisen dann gerne auf die Neigung des gemeinen Volkes zum Lottospiel und lächeln gütig: Wir wollen doch alle dasselbe! Auch der Wink mit dem Einkommen der geliebten „Superstars“ ist nützlich. Niemand möchte sie missen, man kann also auf soziale Vergleichsmaßstäbe verzichten und sich erfolgreich weigern, dem finanziellen Markterfolg irgendwelche Grenzen zu setzen.

In einem ist dem Autor freilich recht zu geben: Der isolierte „Empörungsdiskurs“ über Managergehälter bewirkt nichts, sofern er nicht auf die tiefer liegenden Gründe der wachsenden sozialen Ungleichheiten verweist. Gehaltvolle Gedanken dazu wird man von Herrn Müller-Ullrich nicht erwarten dürfen.

Prof. Dr. Ulf Kadritzke,

Berlin-Wilmersdorf

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