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Meinung: Angst vor dem Klempner

Von Flora Wisdorff

Als deutscher Monteur in Belgien Maschinen einzubauen, ist nicht ganz unkompliziert. Der belgische Staat verlangt diverse Versicherungsnachweise, ein polizeiliches Führungszeugnis sowie Ausbildungszeugnisse des Monteurs, alles auf Flämisch oder Französisch. Die Europäische Kommission wollte solche Hürden gegen den freien Dienstleistungsverkehr in der Europäischen Union abschaffen – mit der Dienstleistungsrichtlinie. Ihr Prinzip war klar und einfach: Es sollten einfach immer nur die Regeln und Standards des Landes gelten, in dem der Dienstleister niedergelassen ist. Dieses umstrittene Herkunftslandprinzip wird es nun gar nicht geben, darauf haben sich die Fraktionen im Europäischen Parlament geeinigt. Damit haben die Gewerkschaften gewonnen, die das Prinzip so lange als teuflisches Machwerk neoliberaler Radikaler dargestellt haben, das zu Sozial- und Lohndumping führe, bis das Wort praktisch nicht mehr nutzbar war ohne reflexartig Ablehnung hervorzurufen.

Das heißt nicht, dass die Kritiker der Richtlinie nicht auch Recht gehabt hätten. Denn die Beamten in der Kommission haben beim Ausarbeiten ihrer Richtlinie wohl in einer Utopie geschwelgt – eine, in der in allen Länder der EU schon gleiches Recht und Standards gelten. Zwischen Belgien und Deutschland mag das ungefähr stimmen, zwischen Polen und Deutschland aber nicht.

Die Eins-zu-Eins-Umsetzung des Kommissionsvorschlags hätte gesamtwirtschaftlich wohl zu den größtmöglichen Wohlfahrtsgewinnen in Form von Jobs und Wachstum geführt, die der freie Wettbewerb schafft. Die Öffnung des Dienstleistungsmarktes, die schon seit 1958 in den europäischen Verträgen zusammen mit der freien Bewegung von Waren, Menschen und Kapital festgeschrieben ist, ist unausweichlich. Aber sie führt auch zu Strukturwandel, der immer Gewinner und Verlierer schafft. Mit der Osterweiterung haben sich die Unterschiede innerhalb der EU verstärkt, manche Branchen in Ländern mit hohen Standards hätte das Herkunftslandprinzip in seiner puren Form besonders stark getroffen. Gegen polnische Fliesenleger haben die deutschen keine Chance. Es ist notwendig, die Veränderung mit Ausnahmen und Übergangsfristen abzufedern.

Die komplette Abschaffung des Herkunftslandprinzips wäre dazu jedoch nicht nötig gewesen. Jetzt liegt der Marktöffnung nämlich gar kein Prinzip mehr zugrunde, sie wird von Einzelregelungen regiert. Das ist besser als gar kein Leitfaden. Aber manch zusätzlicher Job wird so vielleicht nicht entstehen.

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