Meinung: Aufstand der Mitte
Von Matthias B. Krause
Viereinhalb Jahre lang folgten die Konservativen in Washington ihrem Präsidenten beinahe bedingungslos. Hunderte Milliarden Dollar für den Irakkrieg? Steuersenkungen trotz Rekorddefizits? Neue Atomkraftwerke und Ölbohrungen statt Energiesparen? Alles kein Problem. George W. Bush rief – und die Republikaner im Kongress folgten brav. Doch was sich seit Beginn dieser Woche in Washington abspielt, lässt sich am griffigsten als „Aufstand der Mitte“ beschreiben. Einer politischen Gruppe also, die in den verbitterten, ideologisch geladenen Auseinandersetzungen zwischen rechts und links in den vergangenen Monaten totgequetscht zu sein schien.
Schon während der Endlosdiskussion um die Berufung John Boltons zum nächsten amerikanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen reckten die ersten republikanischen Zweifler ihre Köpfe. Mit dem Kompromiss in letzter Minute um die Nominierung umstrittener Richter und die angedrohte Abschaffung des Filibusters erteilten sie dem neokonservativen Fraktionschef im Senat, Bill Frist, dann eine schallende Ohrfeige. Und jetzt die Schlappe des Weißen Hauses in Sachen Stammzellforschung – obwohl Bush zuvor mit seinem Veto gedroht hatte und am Tag der Abstimmung noch einmal alle Register präsidialer PR zog.
Der Streit um die Genforschung ist noch nicht ausgestanden. Frist wird im Senat mit aller Macht versuchen, seine Schäfchen wieder hinter sich zu vereinen, schließlich muss er seine politische Basis, die religiöse Rechte, besänftigen. Doch selbst wenn ihm das nicht gelingt, dürfte Bush sich dreimal überlegen, ob er tatsächlich von seinem Vetorecht Gebrauch macht. Seine Umfragewerte sind im Keller und mit einer Blockade würde er Repräsentantenhaus und Senat dauerhaft verärgern. Stellen die sich jedoch künftig quer, kann es ihm gehen wie schon so vielen US-Präsidenten in ihrer zweiten Amtszeit: Sie starteten als Adler und landeten als lahme Enten.
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