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Ich habe verstanden: Berlin ist am Ende doch die einzige Stadt
Unser Kolumnist Matthias Kalle hat eine Liebeserklärung an Berlin verfasst. Wie sehr ihm die Stadt ans Herz gewachsen ist, ist ihm bewusst geworden, weil er mal wieder in München war.
Ich war in dieser Woche in München und in Hamburg und als ich am Donnerstag wieder in Berlin war, da dachte ich, dass Berlin dann am Ende doch die einzige Stadt ist.
Dieser Gedanke ist natürlich geklaut aus dem Episodenfilm „New York Stories“. Nick Nolte sagt ihn da in seiner Rolle als verzottelter genialer Maler, und er meint natürlich nicht Berlin, sondern New York, und er sagt ihn zu einer jungen Frau, die aus der Provinz in die Stadt kommt und die Stadt nicht versteht. Der Satz von Nick Nolte ist eine große Liebeserklärung.
Nun wurde schon vor einigen Jahren von Experten festgestellt, dass es sich bei Berlin nicht um New York handelt, niemals handeln wird, und diese Feststellung nahmen einige mit Trauer zur Kenntnis, aber diese Menschen habe auch nicht das erlebt, was ich erlebt, aber der Reihe nach.
Zwei Tage bevor ich nach München fuhr, war ein Freund bereits dort, er schrieb mir eine SMS in der stand: „Komische Autos haben die hier.“ Einige Stunden später schrieb er noch eine SMS, darin stand: „Leg dich wieder hin, München.“ Da wollte ich doch mal selber nachschauen, was er damit meinte.
Komische Autos haben die da in München, sie sind sehr groß und sehr teuer, aber jetzt kommt keine Neiddebatte, denn die Autos in München sind vor allem eben „komisch“. Sie machen keinen Sinn, weil die Stadt dann ja auch bisschen eng ist und Baustellen, Herrschaftszeiten, Baustellen haben die in München ehrlich gesagt fast so viele wie wir hier in Berlin, aber dabei ist unsere Stadt ja viel größer. Ich glaube, dass das den Münchner alles sehr nervt, wenn man aber wie ich zu Besuch da ist, dann ist das ulkig. Ich bin viel zu Fuß gegangen, denn ich kenne mich in München gut aus, ich habe da mal ein paar Jahre gelebt und am Montagabend war ich zu einer Party eingeladen. Sie fand in einem Club statt, in dem ich vor zehn Jahren oft war, der Club sieht noch genau so aus wie damals aber irgendjemand erzählte mir, dass es dem Club ganz schlecht ginge, der Club sei quasi pleite und müsse wohl bald schließen. Das fand ich dann ein wenig traurig.
Die Party allerdings war überhaupt nicht traurig, die war komplett irre, leider weiß ich seit Montagnacht, was eine Wodkarutsche ist und zu meiner Kleiderbügelphobie gesellt sich jetzt eine Wodkarutschenphobie. Als ich am nächsten Tag zusah, dass ich aus der Stadt verschwinde, dachte ich, dass die München wirklich alle einen an der Waffel haben und ich dachte an den Titel eines Buches von David Foster Wallace: Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich.
In Hamburg lernte ich dann zum ersten Mal kennen, was Angst bedeutet. In bin eigentlich ein zügiger Fußgänger, ich trödele, nicht, ich bummel nicht, in bin schließlich Berliner, aber die Fußgängerampeln in Hamburg sind für Menschen wie Usain Bolt konzipiert, es ist mir schleierhaft, wie ein normaler Mensch mit Hilfe einer Fußgängerampel eine Straße überqueren soll – zeitlich ist das quasi nicht zu schaffen. Am Abend habe ich dann Spargel gegessen, der Spargel kam aus Stade und war sehr gut, aber ab elf Uhr gab uns der Wirt im Viertelstundentakt zu verstehen, dass man mal so langsam ans bezahlen denken solle. Am Nebentisch saß übrigens ein ganz schlechter Autor, der mit einem kleinen Mädchen die ganze Zeit Englisch sprach, obwohl weder der ganz schlechte Autor, noch das kleine Mädchen des Englischen mächtig waren, you know?
Der Zug, der mich am Donnerstag wieder von Hamburg nach Berlin brachte, war bummsvoll. Die Fahrt erinnerte an eine Flucht. Als ich dann im Büro war, las ich in der „Bild“, dass es ein Skandal sei, dass am 1. Mai die „Spätis“ in Kreuzberg geöffnet bleiben dürfen, in Prenzlauer Berg aber nicht. Ja nu.
Ach, Berlin, du weißt ja gar nicht, wie gut du es hast. Leg dich bloß nie wieder hin.