POSITIONEN: Bewunderung ist möglich
Zur Stellung der modernen Architektur in der Gesellschaft Von Saskia Hüneke
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Ärzte, Pfarrer, Fußballer, Politiker und eben auch Architekten müssen es hinnehmen, dass ihre Arbeit von Laien bewertet wird. So problematisch die Kabaretteinlage von Barbara Kuster auf der politischen Bühne sein mag, sie macht eines deutlich: die Notwendigkeit einer öffentlichen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Architektur. Wie notwendig das ist, zeigt auch die forsa-Umfrage von ARGUS Potsdam e.V., in der neben der mit 85 Prozent klaren und sinnvollen Absage an einen modernen Landtagsneubau in der Potsdamer Mitte auch eine allgemeine Kritik enthalten ist: Nur 18 Prozent glauben, dass viele moderne Gebäude auch in hundert Jahren noch bewundert werden, eine deutliche Mehrheit von 66 Prozent sehen das nur für wenige. Es hat keinen Zweck, dies als wenig fachgerecht abzuwerten. Wir müssen die Ausstrahlung von Architektur in unserem Lebensraum ernster nehmen, Architekten und vor allem die Bauherren stärker in der Verantwortung sehen. In Potsdam zumal, wo die historischen Bauwerke das Empfinden der Menschen schärfen und einen direkten Vergleich provozieren. Nur eine offene Reflexion in der Fachwelt kann die erforderliche Ursachenforschung ermöglichen. Welche Stadt wäre besser dafür geeignet als Potsdam mit seiner baulichen „Vielfalt“ des gesamten 20. Jahrhunderts, die alle Höhen und Tiefen der einzelnen Epochen aufweist – von Klassikern der Moderne über ideologie- und renditebestimmte Formen und Rücksichtslosigkeiten gegenüber der Kulturlandschaft bis zu bewundernswerten Einzellösungen. Potsdam hat das Potential: die Brandenburgische Architektenkammer, die Fachhochschule, die Stiftung Baukultur, zahlreiche Architekten, an der Lage im historischen Ambiente hochinteressierte Bauherren und Entwickler, eine lebendige baufachlich interessierte Öffentlichkeit. Die drastischen Worte von Barbara Kuster sollten Aufruf sein, gemeinsam an einer neuen Baukultur zu arbeiten. Ich bin der Überzeugung, dass die Fähigkeiten dafür vorhanden sind und dass es dann mit neuen Qualitäten auch möglich ist, eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen.
Saskia Hüneke ist Kustodin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und Stadtverordnete
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