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Meinung: Brücke über den Hudson

Die Amerikaner wollen die UN an der Auswahl der Übergangsregierung im Irak beteiligen – aber Kofi Annan will mehr als das

Von Hans Monath

Manche nennen es eine Pokerpartie, was gegenwärtig zwischen der US-Regierung und UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgetragen wird. Der Vergleich passt. Denn in den Verhandlungen über die künftige Rolle der UN im Irak steht für beide Seiten viel auf dem Spiel. Für Präsident Bush geht es nicht nur darum, ein Scheitern des Aufbauprozesses zu verhindern. Er kämpft auch um seine Wiederwahl. Annan aber sieht nicht nur die Chance, seine Organisation im Irak in ihr Recht zu setzen. Er will das mächtigste Land der Welt auch dazu bewegen, den Anspruch der UN anzuerkennen und künftig enger mit ihr zu kooperieren.

Doch keiner der beiden Verhandler ist dabei frei, wie am Montag das Gespräch des US-Zivilverwalters im Irak, Paul Bremer, mit Annan in New York gezeigt hat. Beide Seiten stehen stark unter Druck. Erst die Drohungen des Schiitenführers Ali al Sistani, der die freie Wahl einer Übergangsregierung verlangt, haben Paul Bremer ins UN-Gebäude am Hudson geführt. Der Zivilverwalter braucht die UN, um seinen Übergangsplan für Bagdad zu retten. Die Zeit drängt, am Montag schickte Sistani in Bagdad zehntausende Demonstranten auf die Straße. Weil der Ajatollah den USA misstraut, sollen die UN vermitteln. Zu frühe Wahlen, so fürchtet Washington, würden eine schiitische Mehrheit ins Amt bringen, bevor Minderheitenrechte in die Verfassung geschrieben werden.

Zudem sucht Bush im Wahljahr die Aussöhnung mit den Gegnern des Irakkrieges, um die Demokraten ins Leere laufen zu lassen. Die prangern nicht den Krieg als Fehler an, wohl aber die Isolierung der USA von den Verbündeten. Wenn die US-Emissäre über die Rolle der UN im Irak reden, reden sie auch über das Verhältnis zu Paris und Berlin. Beide Länder fordern seit Ende der Kampfhandlungen eine Übertragung der Autorität im Irak an die Weltorganisation und die UN-Kontrolle der Öleinnahmen.

Die Nöte Washingtons sind deutlich, seine Strategie noch nicht: Ist Bush wirklich bereit, den UN eine tragende Rolle im Übergangsprozess zuzugestehen, die auch die Entscheidungsfreiheit der US-Militärs mindern würde? Annan hat allen Grund, misstrauisch zu sein: Noch der im November zwischen den USA und dem irakischen Regierungsrat vereinbarte Vertrag zur Übertragung der Souveränität bis 30. Juni sah keinerlei Aufgabe für die UN vor. Aber der Generalsekretär weiß auch, dass er seiner Organisation dauerhaft nur in Zusammenarbeit mit den USA wieder mehr Einfluss verschaffen kann.

Doch so groß der politische Anspruch Annans ist, so begrenzt ist seine Handlungsfreiheit. Nach dem Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad im Oktober musste er seine Leute abziehen. Auch der Regierung Bush müsste deshalb klar sein, dass die UN ihr im Irak nur unter einer Bedingung helfen werden: Annan kann den Konflikt mit den eigenen Mitarbeitern um eine Rückkehr nach Bagdad nur dann gewinnen, sofern am Ende dieses gefährlichen Prozesses mit großer Wahrscheinlichkeit eine gestärkte UN steht. Wenn Annans Leute allerdings den Eindruck gewinnen, sie sollten nur den Deckmantel über eine ansonsten unveränderte US-Besatzungspolitik breiten und somit in ein aussichtsloses Unternehmen starten, werden sie kaum einsehen, warum sie in der irakischen Hauptstadt ihr Leben riskieren sollen. Als Sündenbock einer gescheiterten US-Strategie wollen sie jedenfalls nicht dienen.

Hätte die US-Regierung am Anfang der Besetzung Zugeständnisse an die UN gemacht, wäre das wahrscheinlich ein politisch wirksames Signal an die Iraker gewesen. Nun reicht ein kleiner Schritt nicht mehr, um die Irakis von der Lauterkeit der US-Verwalter zu überzeugen. Nur: Dem wieder entdeckten Partner UN, der nun helfen soll, sind inzwischen selbst die Hände gebunden.

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