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Meinung: BSE-Krise: Nun hat die Krise den Kanzler erreicht - Ein Kommentar von Tissy Bruns

Der Rücktritt gereicht der Ministerin zur Ehre. Sie ist gegangen, bevor sie der Regierungschef und die eigenen Leute zwangen und weil sie für ihre Fehler einsteht.

Der Rücktritt gereicht der Ministerin zur Ehre. Sie ist gegangen, bevor sie der Regierungschef und die eigenen Leute zwangen und weil sie für ihre Fehler einsteht. Vor allem hat Andrea Fischer den wesentlichen Punkt erkannt: Beim Thema BSE ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Regierung erschüttert. Der Rücktritt der grünen Ministerin hat zwingend den des zweiten Verantwortlichen im Kabinett ausgelöst. Landwirtschaftsminister Karl-Funke ging mit weniger Einsicht und noch viel weniger aus eigenem Entschluss.

Natürlich steht auch im Hintergrund des Fischer-Rücktritts jene Art von Vertrauenserosion, die fast immer ausschlaggebend ist für eine Amtsaufgabe. Als es vor Weihnachten um die Wurst ging, hat die Ministerin mit ihrem Zick-Zack-Kurs nicht nur die Bürger irritiert, sondern auch die eigene Partei. "Etwas bizarr" hat die zurückgetretene Ministerin nun den Vorgang genannt, dass ausgerechnet eine Grüne als erste die Verantwortung für den Gau der industrialisierten Landwirtschaft übernehmen müsse. Damit hat sie recht. Tatsächlich haben Grüne gewarnt, als alle anderen noch abgewiegelt haben. Tatsächlich hat der sozialdemokratische Landwirtschaftsminister sehr viel weniger als Andrea Fischer verstanden, wie fundamental BSE die Bürger bewegt. Die Ministerin ist an ihrem eigenen Fehlern, an falschem Umgang mit dem gewaltigen Apparat der fehlgeleiteten Nahrungswirtschaft gescheitert, aber auch daran, dass weder die grüne Partei noch die Fraktion glaubhaft für einen Neuanfang werben konnten. Man war selbstzufrieden darin, die Gefahren früher gesehen zu haben als andere - doch wirklich eingestellt auf eine grundlegende Landwirtschafts-Reform war auch die Öko-Partei nicht.

Doch die Hauptfrage richtet sich weder an Karl-Heinz Funke noch an Andrea Fischer. Sie richtet sich an den Regierungschef, der doch eine Nase dafür hat, wenn es in der Mitte der Gesellschaft kocht und brodelt. Und ein eigenes Talent, wie solche Gefühle verdichtet und politisch aufgegriffen werden können. Wir müssen weg von den Agrarfabriken, hat Schröder deshalb zu einem frühen Zeitpunkt der Krise gesagt - und dann kam nur noch Klein-Klein, Ermahnungen und Unzufriedenheiten mit den verantwortlichen Ministern, der krampfhafte Versuch, mit dem Mitteln des Kanzleramts und einer BSE-Bundesbeauftragten der Sache Herr zu werden. Sie hoffe, mit ihrem Rücktritt den neuen Ansatz in der Verbraucherpolitik auch personell sichtbar machen zu können, hat Andrea Fischer gesagt. Wahr ist, dass der Kanzler schleunigst handeln muss. Doch wahr könnte auch sein, dass der Zeitdruck, unter dem nun neue personelle Lösungen präsentiert werden, nur den nächsten halbherzigen Schritt hervorbringt.

Neue Minister sind immer ein Versprechen, eine Hoffnung. Schröder, dem mittlerweile sieben Minister ziemlich ungeplant abhanden gekommen sind, hat mit seinen schnellen Neuberufungen im Regelfall Glück gehabt. Nach dem Fall von Bodo Hombach sind Ruhe und Ordnung ins Kanzleramt eingekehrt, Hans Eichel war ein Coup nach dem Lafontaine-Schock, Reinhard Klimmt als Müntefering-Ersatz ein kleiner obendrauf. Über Klimmts Nachfolger und den des zurückgetretenen Kulturministers Naumann kann noch gesagt werden, dass sie immerhin interessante Überraschungen waren. BSE hat das Vertrauen der Bürger tief erschüttert - deshalb, nicht wegen der Rücktritte, ist der Lage der rot-grünen Regierung durchaus krisenhaft. Eine rote, eine grüne Neubesetzung unveränderter Ministerposten wird da nicht helfen.

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