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Meinung: Das Vorgehen der Täter

Debatte zur Pädophilie In mehreren Artikeln wird der Anschein erweckt, aus „den Archiven“ tauche etwas Schlimmes auf, das bislang unbekannt gewesen sei. Doch wurden die Dinge bereits öfter diskutiert, sie werden jetzt bloß mit ein bisschen Online-Nachgucken aufgewärmt.

Debatte zur Pädophilie

In mehreren Artikeln wird der Anschein erweckt, aus „den Archiven“ tauche etwas Schlimmes auf, das bislang unbekannt gewesen sei. Doch wurden die Dinge bereits öfter diskutiert, sie werden jetzt bloß mit ein bisschen Online-Nachgucken aufgewärmt. In der boulevardesken Manier von Mann-

beißt-Hund wird ein Skandal inszeniert: Organisationen wie Pro Familia, Humanistische Union oder die Grünen, die sich den Menschenrechten und sozial Schwachen verschrieben haben, sollen von Verbrechern unterwandert sein und dem Kindesmissbrauch Vorschub geleistet haben. Gewiss klingt heute jegliche Äußerung anstößig, die auch nur die Frage stellt, inwieweit jede Spielart von ‚Pädophilie‘ das schlimmste aller denkbaren Verbrechen sei. Tatsächlich erforscht die Kriminologie im Einzelnen das Vorgehen der Täter, wie ich es getan habe und was mir in den Artikeln vorgeworfen wird. Die Opfer rückten erst neuerdings in den Vordergrund, sind aber nach wie vor nicht Mittelpunkt des Strafverfahrens. Wie nun Täter vorgehen und welche Gewalt dabei angewandt wird, das spielt im Strafrecht und in der Strafzumessung durchaus eine gewichtige Rolle. Die komplizierten Denkzusammenhänge sind nicht auf eine Schlagzeile zu bringen.

Übrigens habe ich nie die Abschaffung des Kinderschutzparagrafen 176 gefordert oder mich an solchen Initiativen beteiligt, wie leider in „Kein Platz für Spiele“ (8.10.) behauptet wird. Auf den Kongressen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie werden wissenschaftliche Vorträge gehalten, nicht aber Anträge verabschiedet. Der Begriff der „moral panics“ ist in der Soziologie wohletabliert und passt perfekt auf eine Aufregung, wie die Artikel sie nähren. Eine liberale Vereinigung wie Pro Familia als „Wolf im Schafspelz“ zu denunzieren mag das Publikum gruseln, gehört aber ins Reich der Märchen. Unsere Zeit, von extremen ökonomischen Risiken bedroht und von tiefen Ängsten geplagt, verdient eine solidere Aufklärung, auch im Sexuellen.

Prof. Rüdiger Lautmann,

Bremen/Berlin

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