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Meinung: DEBATTE UM EINEN MÖGLICHEN IRAK-KRIEG Wo bleibt die Kritik an den USA?

Unsere Leserin Christine Baden wirft dem Tagesspiegel vor, in der Irak-Krise zu Bush-freundlich zu sein. Chefredakteur Giovanni di Lorenzo antwortet

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Betrifft: Die Haltung des Tagesspiegels zu einem möglichen IrakKrieg

In letzter Zeit bin ich über die Kommentare im Tagesspiegel bezüglich der Irak-Krise sehr verärgert. Ich gehöre der Generation an, die nach dem Krieg in der Schule eindringlich davor gewarnt wurde, dass von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen dürfe. In den Kommentaren Ihrer Zeitung finde ich kein Wort davon, dass die Haltung Schröders sehr mutig ist, wenn er es wagt, sich den Absichten der Bush-Regierung zu widersetzen. Wenn ich die Berichte in den Medien über den Bombenkrieg in Deutschland sehe, dann möchte ich nicht, dass wir oder ein anderes Land anderen Menschen dieses Leid antun. Die einzigen Staaten, die zurzeit Massenvernichtungswaffen anwenden wollen, scheinen mir die USA und ihre Verbündeten zu sein, die sogar einen Atomwaffeneinsatz im Irak nicht ausschließen.

Ich möchte Sie bitten, zukünftig auch in Ihren Kommentaren kritischer mit der amerikanischen Regierung umzugehen und zu berücksichtigen, dass diese in den letzten Jahren immer wieder in bewaffnete Konflikte verwickelt war. Sie haben doch gerade in Ihrer Zeitung darüber berichtet, wie die Mitglieder der Bush-Regierung in Waffen- und Ölgeschäfte verwickelt sind. Für mich besteht da eine Verbindung und es verwundert mich sehr, dass es keinen Kommentar gibt, der diese Verbindung herstellt.

Christine Baden, Berlin-Charlottenburg

Sehr geehrte Frau Baden,

der drohende Krieg wühlt auch unsere Redaktion auf, in der in diesen Tagen leidenschaftlich und kontrovers diskutiert wird. Mit Ihrer Kritik geben Sie das wieder, was mir auch viele andere Leserinnen und Leser geschrieben haben. Erlauben Sie mir trotzdem, dass ich Ihren Einschätzungen in Teilen widerspreche.

Wahr ist, der Tagesspiegel hat das Vorgehen der Regierung Schröder-Fischer in der Irak-Frage scharf kritisiert, weil wir zum einen der Meinung sind, dass in der Kooperation mit den wichtigsten Verbündeten mehr erreicht werden kann als in der (wahltaktisch begründeten) Konfrontation. Zum anderen finden wir das grundsätzliche Anliegen richtig, Saddam Hussein zu entwaffnen und zur Einhaltung all jener UN-Resolutionen zu zwingen, die er bis heute beharrlich ignoriert hat. Das kann man leider nur, wenn man ihm droht, und dies auch nur dann überzeugend, wenn es die Weltgemeinschaft geschlossen tut.

Auf der anderen Seite ist nahezu die gesamte Redaktion der Überzeugung, dass ein Krieg immer noch nicht ausreichend begründet ist. Weder ist der Irak einer der Hauptexporteure von Terror (da müssten die USA eher gegen Saudi Arabien oder Ägypten vorgehen), noch sind die bislang vermuteten gefährlichen Waffen gefunden worden. Auch gibt es auf Seiten der Amerikaner keinen Erfolg versprechenden Friedensplan für diese buchstäblich explosive Region. Insofern wünschen auch wir uns eine friedliche Lösung.

Aber das darf den Blick für Widersprüche der Friedensbewegung nicht verstellen. Ich habe zum Beispiel bei der auch für mich beeindruckenden Demonstration am Samstag, dem 15. Februar, nicht verstanden, warum die meisten Teilnehmer Bush anprangerten, kaum aber den Mörder und Despoten Saddam. Oder dass bei der Abschlusskundgebung eine Palästinenserin gegen Israel hetzen durfte.

Ich weiß, dass wir Ihnen mit einer solchen Position einiges zumuten. Ich bitte Sie aber, unsere Redlichkeit nicht anzuzweifeln. Wir versprechen, dass wir gerade für den leider sehr wahrscheinlichen Fall des Krieges das Vorgehen beider Seiten kritisch begleiten werden – als kleines Gegengewicht zu den Propagandamaschinen, die Sie und uns dann täuschen wollen.

Mit besten Grüßen

Giovanni di Lorenzo

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