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Meinung: Der Neujahrsansprachen-Mechanismus

Nun ist die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers schon fast zwei Wochen her, und noch immer ist kein Ruck durch das Land gegangen. Nein: Nicht wegen des vorhersehbaren Inhalts, sondern wegen der revolutionären Technik, die da ganz unauffällig zum ersten Mal auf einen amtierenden deutschen Regierungschef angewendet wurde.

Nun ist die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers schon fast zwei Wochen her, und noch immer ist kein Ruck durch das Land gegangen. Nein: Nicht wegen des vorhersehbaren Inhalts, sondern wegen der revolutionären Technik, die da ganz unauffällig zum ersten Mal auf einen amtierenden deutschen Regierungschef angewendet wurde. Früher, bei Kohl und seinen Vorkanzlern, war es ja so, dass die Ansprache mit einem Brustbild eröffnet wurde, dann fuhr die Kamera langsam zurück, gab den Blick frei auf ein hässliches Blumengesteck, einen fetten Füller, Attribute der Macht halt. Schröder aber … Erst sah es auch wie eine Kamerafahrt aus, irgendwie quer vor dem Reichstag. Doch dann zeigte sich: Der Kanzler selbst fuhr da herum. Wie ein kleiner Junge auf dem neuen Dreirad ließ er sich erst nach rechts und dann wieder nach links schieben – möglicherweise ein sinniger NeujahrsansprachenMechanismus, den ein Spin Doctor vom Presseamt gleich am Anfang eingebaut hat? Deshalb hatte die Rede auch trotz ihrer scheinbar vorwärts weisenden Rhetorik etwas leicht Immobiles, ja Rollstuhlhaftes. Im nächsten Jahr fährt Schröder womöglich im unsichtbaren Fahrstuhl auf und ab, und wieder passiert nichts. Dann wäre immerhin endgültig bewiesen, dass sich kein Mensch Neujahrsansprachen ansieht.

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