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Ilse Aigner beim Amt für Verbraucherschutz in Oldenburg.

© dapd

Kontrapunkt: Der Skandal im Skandal im Skandal

Jetzt schimpfen alle auf Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Doch umgekehrt wäre es richtiger: Wenn sich im Dioxin-Skandal Hohn und Spott und Wut über die Herren in Niedersachsen ergießen würde, schreibt Stephan-Andreas Casdorff im "Kontrapunkt".

Ilse Aigner, das ist die Ministerin, auf die jetzt alle schimpfen, hat dieser Tage von einem Skandal im Skandal gesprochen und damit gemeint, dass ihr nicht nur Informationen vorenthalten, sondern sie auch noch hinters Licht geführt wurde. Dass es nicht nur diese Geschichte mit dem Dioxin im Futter gibt, sondern dass ihr von einer Landesregierung und einer Landesbehörde gesagt wird: Alles klar, wir wissen Bescheid. Was wir wissen, weißt auch du, und wir haben das schon im Griff. Die Niedersachsen haben es natürlich nicht ganz so gesagt, das tun Beamte nicht, und Politiker auch nicht, die schwurbeln im Zweifelsfall lieber mal rum, damit niemand merkt, um welche Verantwortung sie sich gerade herumdrücken. Oder sie äußern sich so gestelzt, dass sie inhaltlich keiner versteht, aber andererseits alle den Eindruck haben, dass sie wissen, was sie tun.

Genau das hat Ilse Aigner nicht mitgemacht. Die Ministerin hat, sauer, wie sie war, bayerisch gerade heraus einen Skandal genannt, was ein Skandal ist. Jetzt kommt aber der Skandal im Skandal im Skandal – dass nämlich die Verbraucherschutzministerin deswegen kritisiert wird. Und weil sie auch noch personelle Konsequenzen gefordert hat. Ja, wo sind wir denn? Das soll sich jeder mal in Ruhe vorstellen. Diese Frau hat einen Skandal, der alle angeht, aber in den Bundesländer spielt, nicht nur aufzuklären, sondern für jetzt und die Zukunft zu verhindern, dass er sich wiederholt, und dabei lassen sie Parteifreunde (mehr oder weniger, CSU und CDU sind ja irgendwie doch manchmal, wenn’s passt, eine Partei) vor die Pumpe laufen. 1000 Höfe waren dann doch noch betroffen, von denen vorher nicht die Rede war. Da darf Frau nicht sauer werden? Wenn so ein Mann geredet hätte, dann wäre das kernig gewesen, oder?

Umgekehrt wäre es richtiger: Wenn sich Hohn und Spott und Wut über die Herren in Niedersachsen ergießen würde. Vom smarten Herrn McAllister ist nicht bekannt geworden, dass er sofort einen Krisenstab gebildet hätte, um die Sache vom Acker zu bringen; das Landwirtschaftsministerium hatte ja noch nicht einmal einen Minister. Dass die Niedersachsen alles im Griff hätten, auch nur ansatzweise, na, das muss diese CDU-geführte Landesregierung erst noch beweisen. Mit Kritik an Aigner waren sie schneller. Sicher, die Bundesministerin hat in den Ländern keine Handhabe, und darum kann sie auch keine Rücktritte verlangen; oder sie kann sie verlangen, es bringt nur nichts. Bloß: Wer da was wusste und es nicht weitergegeben hat, so schnell wie möglich, und wer der Ministerin beim abendlichen Besuch im Land nicht alles gesagt hat, der sollte sich schon fest anschnallen auf seinem Stuhl.

Wahr ist auch, dass Aigner in der Selbstdarstellung länger kein so dolles Bild abgegeben hat. In der Substanz hat sie allerdings nachgelegt. Ihr Aktionsprogramm müsste auch SPD und Grünen gefallen, weil es auch Forderungen von ihnen enthält, und wenn sie es durchhält, nicht vor der Agrarlobby einknickt, dann ist das in Ordnung. Aber die Agrarlobby sitzt, so weit man hören kann, auch in Niedersachsen, und es wird sich ja herausstellen, ob die Landesregierung hilfreich ist bei der Durchsetzung beispielsweise einer Testpflicht für Futtermittelhersteller und der Verpflichtung für die Behörden, bei Verstößen sofort Produkte und Produzenten, sprich Betriebe, zu nennen. Hier könnten die Herren in Hannover mal kernig werden.

Ein Letztes: Die Bundeskanzlerin findet, jedenfalls bisher, das, was Ilse Aigner gemacht hat, und wann sie es gemacht hat, okay. Nun kann es sein, dass Angela Merkel ihre Meinung ändert, das passiert bisweilen. Aber Ilse Aigner kann hoffen, dass es diesmal nicht so kommt. Denn es gab schon Verbraucherschutzminister vor ihr. Einer davon war ihr Parteichef, eine hieß Künast. Und alle, wie sie da waren, sollten den Mund nicht zu voll nehmen. Das Amt ist immer skandalträchtig.

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