Meinung: „Der Vorwurf ist falsch und schlicht infam“
Entschuldigen wird er sich nicht bei Murat Kurnaz. Wenn Frank-Walter Steinmeier am heutigen Donnerstag dem BND-Untersuchungsausschuss Auskunft gibt über den Umgang der rot-grünen Regierung mit dem Guantanamo-Häftling, tut er das im Bewusstsein, angesichts terroristischer Bedrohung damals richtig gehandelt zu haben.
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Entschuldigen wird er sich nicht bei Murat Kurnaz. Wenn Frank-Walter Steinmeier am heutigen Donnerstag dem BND-Untersuchungsausschuss Auskunft gibt über den Umgang der rot-grünen Regierung mit dem Guantanamo-Häftling, tut er das im Bewusstsein, angesichts terroristischer Bedrohung damals richtig gehandelt zu haben. Ein paar dürre Worte des Bedauerns für das Schicksal des Bremer Türken, den die Präsidentenrunde im Kanzleramt unter Steinmeiers Leitung 2002 als Sicherheitsrisiko einstufte und nicht mehr nach Deutschland lassen wollte, hat er gefunden. Für Kurnaz’ fast fünfjährige Haft in Guantanamo aber sind nach seiner Ansicht alleine die Amerikaner verantwortlich. Eine Schuld eingestehen, wo er keine sieht, das wird er sicher nicht.
Für die Opposition steht viel auf dem Spiel: Ein politisch heikleres Thema wird im Ausschuss voraussichtlich nicht mehr verhandelt, das Interesse erlahmt. Die Angreifer wissen aber auch, dass Steinmeier nicht über das rhetorische Talent eines Joschka Fischer verfügt. Schließlich geht es bei der Vernehmung des prominenten Zeugen auch nicht um neue Fakten, sondern vor allem um Psychologie.
Es gibt nur wenige Politiker in Berlin, die ihr Handeln so stark an gesellschaftlichen Zielen messen wie Steinmeier. Womöglich ist die protestantische Eigenschaft der Selbstprüfung der Grund, warum der Jurist so dünnhäutig auf die Vorwürfe reagiert: Er hat seinen eigenen, strengen Maßstäben genügt, er ist mit sich im Reinen. Statt offensiv um Verständnis zu werben, fühlt er sich gekränkt und stößt ruppig zuweilen auch arglose Frager vor den Kopf.
Dazu kommt: Steinmeier hat sich nicht in endlosen Parteiversammlungen und -gremien nach oben kämpfen müssen. Auch manch erfahrener SPD-Politiker seufzt, der dienende Job im Kanzleramt habe ihn zu stark geprägt. Insofern dürfte sein Auftritt vor dem Ausschuss auch Aufschluss darüber geben, ob der 51-Jährige das Repertoire des politischen Nahkampfs inzwischen besser beherrscht als zu Beginn seiner Ministerzeit. Um seinen Rücktritt geht es längst nicht mehr, wohl aber um sein öffentliches Bild.
Der Druck und die Angriffe der vergangenen Monate haben ihn womöglich stärker verändert, als er sich das selbst eingesteht. Kürzlich fragte ihn eine Schulklasse, ob er die Probleme seines Amtes abends mit nach Hause nehme. „Meine Frau sagt Ja, ich sage Nein“, antwortete Steinmeier.
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