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Am Sonntag ist der erste Advent.

© dpa

Die erste Kerze entzünden: Der 1. Advent ist mehr als ein Ritual – er ist eine Aufforderung

Inflation, Energieangst, Corona, Putins Krieg - ja, es lastet viel auf unseren Schultern. Es liegt an uns, jetzt Wegweiser zu sein. Humanität ist möglich. Wenn wir unsere Werte leben.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

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Advent – kein Wort passt besser auf diese Zeit. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet es Ankunft, und das Verb dazu, advenire, heißt ankommen, eintreffen. Das ist christlich auszudeuten und wird immerhin noch von Millionen Menschen in diesem Land so gehalten.

Für sie ist es die Erinnerung an Jesu Geburt, Gottes Kommen. Doch gibt es eine Verbindung mit denen, die in alledem nur eine Frage des Glaubens sehen, etwas eher transzendentes: Diese Adventszeit ist schon auch sehr mit weltlichen Wünschen verbunden, zumal im Hier und Jetzt. Nicht nach Konsum – sondern mit dem Wunsch nach Frieden und Versöhnung.

Inflation, Energieangst, Corona, das noch nicht besiegt ist, Putins Krieg gegen die Ukraine ist auch bei uns zu spüren, ja, auch hier lastet viel auf den Menschen. Nicht nur auf ihrer Seele.

Aber das Sehnen, dass das enden möge, setzt zugleich Kräfte frei, geahnte und ungeahnte Kräfte. Die man jeden Tag sieht, in der Ukraine und um uns herum.

So gesehen wird die Vorstellung von Jesu Geburt in der Zeit des Advents zu einem überwölbend humanitären Symbol. In die Zukunft gelangen wir auch durch Erinnerung, durch Besinnung auf Werte, die ein Gemeinwesen tragen.

Menschen aus der Ukraine flüchten sich nach Deutschland, in der Hoffnung auf einen sicheren Ort.

© IMAGO/Jens Schicke

Die Kraft, an das Licht im Dunkel zu glauben, kann helfen, das Jahr nicht nur Revue passieren zu lassen, sondern darüber hinaus seinen Frieden damit zu machen, dass die Anforderungen mit dem Jahresende nicht enden werden. Weil es zugleich in diesem Land überall Menschen gibt, die sich größte Mühe geben, die Dinge zum Besseren zu wenden. Schauen wir uns um, bis hin zu den Regierenden. Das ist mehr als ein Trost – da wird Hoffnung zum Versprechen.

Der Wert des Miteinanders wird in diesem Durcheinander der Zeiten, diesem Ineinander der Zeiten, wie Bischof Christian Stäblein einmal gesagt hat, besonders deutlich.

Stäblein ist Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland, und als er vom Ineinander sprach, da blickte er auf die Geschichte der französischen Kirche am Gendarmenmarkt in Berlin zurück.

Christian Stäblein spricht vom „Ineinander der Zeiten“.

© picture alliance/dpa

Vom preußischen König für geflüchtete Einwanderer aus Frankreich gebaut, „erzählt sie mit ihren Steinen eine in vielem gelungene Geschichte von Migration und Integration“. Wer also dort in diesen Tagen hingeht, kommt an: in der einen Welt.

Die Erinnerung an Offenheit und Barmherzigkeit, besser: Großherzigkeit, gehört darum in diese Zeit, in den Advent. Denn es werden noch viele Menschen, Flüchtlinge, kommen, eben weil unser Land Hoffnung zu bieten scheint, vielen mehr denn je. Womit auch das eine Herausforderung ist und bleibt. Wir werden auf unsere Werte getestet werden. Nicht zuletzt, wenn der Wert der Nächstenliebe sehr bestimmt werden wird durch Nächstennähe.

Es kommt, im übertragenen und im wörtlichen Sinn, vieles zusammen. Keine Feierstimmung, aber besinnliche Tage kommen auf uns zu bis zum Ende des Jahres, in denen in wundersamer Weise Besinnung einsetzen kann. Wollen wir hoffen. Können wir aber auch.

Der 1. Advent ist mehr als ein Ritual. Er geht über Erinnerung hinaus. Wird zur dringenden Aufforderung. An uns alle, verstärkt in diesen Wochen, die nun mit dem Entzünden der ersten Kerze beginnen. Denn es braucht die, die ein Licht leuchten lassen, als Wegweiser umso nötiger. Eines, das noch dazu ein wenig Wärme spendet.

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