
© Imago/Christian Spicker
Partei in der Zerreißprobe: Ohne Linke fehlt der Politik das Gleichgewicht
Kein Personenkult, sondern Themendominanz – das kann helfen. Denn Linke brauchen einen Platz im Spektrum. Es wäre auch gut für die demokratische Debatte.

Stand:
Sie habe den Wunsch nach Wechsel „wahrgenommen“, sagt Janine Wissler, die scheidende Linken-Vorsitzende. Also alles eine Frage der Wahrnehmung? Nicht ganz. Jetzt ist mehr nötig als das: eine komplette Hinwendung zur Wirklichkeit.
Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit, hat einmal ein Linker gesagt. Gut, es war Kurt Schumacher von der SPD, und es ist lange her. Aber der Satz stimmt trotzdem, in diesen Wochen umso mehr.
Die Linke als Partei steht vor dem Exitus. Derart schlecht sind ihre Umfragewerte im Bund wie in den Ländern.
Es war absehbar. Weil die Linkspartei ihr Verhältnis zu Sahra Wagenknecht nie wirklich in den Griff bekommen hat, und weil sie Wagenknecht selbst nie in den Griff bekommen hat, droht es sie zu zerreißen.
Jetzt gibt es das BSW, das Bündnis Sahra Wagenknecht, und viele aus der Linkspartei wandern ab. Sie denken, dort eine linke Heimat zu finden. Manche Rechte denken das allerdings auch – so schillernd ist das BSW.
Gegen diese neueste Attraktion auf dem Markt anzukommen, wird schwer. Doch in der Abgrenzung zu Wagenknechts Nationalkommunisten, wie Wolf Biermann sie unlängst genannt, liegt eine Chance.
Wie wäre es mit einem Wechsel der Perspektive?
Geworben werden muss für einen Wechsel der Perspektive: durch strikte Konzentration eben nicht auf eine einzige Person, sondern nachhaltiges, geduldiges Bewirtschaften von Themen. Sonst müsste die Linke ja Gregor Gysi wieder nach vorne stellen.
Soziales als Thema hat nach allen Umfragen Konjunktur. Nur kommt es auf die Antworten an. Die müssen rechnerisch stimmen, umsetzbar sein, sich am Möglichen orientieren. Kurz: Solidität wird Trumpf.
Hier könnte die Linke ihren Platz finden, genauer: ihn verteidigen. Das BSW ist keine Programmpartei, und die SPD, die eine ist, muss sich in der Regierung derart viele Einwürfe und Gegenentwürfe gefallen lassen, dass sie als linkes Korrektiv schwierig zu erkennen ist.
Den Platz auf der Linken verteidigen, darum geht es insgesamt. Eine – wirklich – linke Partei im Spektrum sollte es schon noch geben: fürs politische Gleichgewicht und als wahrnehmbare Stimme in der demokratischen Debatte.
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