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Ein brenneder Panzer in Syrien. Deutschland hält sich aus dem Konflikt lieber heraus.

© afp

Diffuser Pazifismus: Warum sich die Deutschen mit Gewalt so schwer tun

Die Deutschen sehen hinter militärischer Gewalt immer nur Wilhelm II. und Hitler, während unsere Nachbarn durch Churchill und de Gaulle eine ganz andere Sicht auf diese Ereignisse haben. Es wird höchste Zeit, dass wir unsere Sichtweise auch hier ein wenig europäisieren.

Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt. Sie betrachten sie nicht als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln im Sinne von Clausewitz, sondern als das schlechthin Böse und Falsche, als ein Mittel, aus dem nie und unter keinen Umständen Brauchbares entstehen könne. Das ist kein Wunder, haben doch ihre politischen wie militärischen Führer in zwei Weltkriegen den Beleg für diese Einschätzung geliefert.

Doch mit eben dieser absoluten Verwerfung militärischer Gewalt stehen die Deutschen allein der Welt. Dies hat manche unangenehmen Folgen. Da ist zum einen die mangelnde Wertschätzung der Bundeswehr, deren Tun im besten Fall mit Desinteresse, im Normalfall mit Skepsis und Ablehnung betrachtet wird. Dass deshalb auch die immer wieder verkleinerte Bundeswehr kaum noch die dringendsten Aufgaben von Landesverteidigung und terroristischer Gefahrenabwehr erfüllen kann, bewegt außer ein paar Fachleuten niemanden. Doch schlimmer noch als diese materielle Vernachlässigung erscheint die Weigerung, Notwendigkeit und Folgen militärischer Gewalt überhaupt zu denken und sie in ein politisches Weltbild einzuordnen. Und so löst eine Selbstverständlichkeit wie der militärische Schutz von Handelswegen fast eine Staatskrise aus.

Allein der Druck unserer Verbündeten hat uns in den Kosovo und nach Afghanistan gebracht. Doch eine Diskussion darüber, warum das eine im Clausewitzschen Sinne möglicherweise richtig, das andere aber falsch war, findet nicht statt. An ihre Stelle ist ein diffuser Ganzkörperpazifismus getreten.

Wie problematisch eine solche Haltung sein kann, hat Deutschland im Falle Libyens erlebt, wo der Außenminister den Kämpfern von Bengasi ernsthaft den Boykott Gaddafis durch Deutschland als Lösung empfahl. Allein die französischen Mirages haben möglich gemacht, dass heute von allen gelobte Wahlen in diesem Lande stattgefunden haben. Doch Einsicht sucht man bei den Betroffenen vergebens. Auch das syrische Dilemma des Westens führt wieder eindrücklich vor Augen, wie gering das Verständnis für Gewaltanwendung in diesem Lande ist. Denn es ist eben nicht die Gewaltanwendung an sich, die sich hier verbietet, sondern die nicht zu kontrollierenden Auswirkungen eine gewaltsamen Eingreifens. Schon der Irakkrieg, aber auch Afghanistan bestätigen ein altes Napoleon-Wort, dass es immer leicht sei, hineinzugehen, aber schwer, wieder herauszukommen.

Militärische Gewalt ist nicht an sich schlecht

Statt also immer von Neuem die pazifistische Melodie zu singen, wäre es klug, eine politische zu intonieren, weil eben militärische Gewalt – siehe oben – nicht an sich schlecht, sondern nur als falsche Politik schlecht ist. Das aber setzt voraus, dass die Deutschen wieder eine Tatsache der Weltgeschichte akzeptieren lernen, die Bismarck in seiner ersten Regierungserklärung als preußischer Ministerpräsident 1862 in die berühmten Worte fasste: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut.“

Und so wird auch das Assad-Regime – leider – nicht durch UN-Beschlüsse und diplomatische Finessen fallen, am wenigstens durch irgendwelche Verbote, seine Repräsentanten in Paris oder London einkaufen zu lassen, sondern durch einen Bürgerkrieg, in dem die Iraner und Russen ihren schiitischen Verbündeten unterstützen, den das sunnitische Saudi-Arabien und die Golfstaaten zum Teufel jagen möchten. Man kann das aus menschenrechtlicher Sicht bedauern, aber es ist realitätsblind, die eine wie die andere Seite immer von Neuem mit gutem Zureden zum Aufgeben anzuhalten.

Die Deutschen tun sich damit besonders schwer, weil sie hinter der militärischen Gewalt immer nur Wilhelm II. und Hitler sehen, während unsere Nachbarn durch Churchill und de Gaulle eine ganz andere Sicht auf diese Ereignisse haben. Es wird deshalb höchste Zeit, dass wir unsere Sichtweise auch hier ein wenig europäisieren.

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