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Christiane Gaehtgens ist Hochschulexpertin, zurzeit ist sie im Kapazitätsaufbau im Bildungswesen in Äthiopien tätig.

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Sind Universitäten unregierbar?: Durchregieren? Keine Chance!

Leitung von modernen Universitäten verlangt vor allem Managementkompetenz, taktisches Geschick, finanzpolitisches Know-how und politisches Gewicht, sagt Bildungsexpertin Christiane Gaehtgens.

Dieser Text ist Teil unserer Debatte zur (Un)regierbarkeit von Universitäten. Hier finden Sie die übrigen Debattenbeiträge.

Auf die Frage, ob Universitäten heute noch regierbar seien, muss man zurückfragen: Waren Sie es je? Oder, wichtiger: sollten Sie es sein? Ist Regierbarkeit ein Maßstab für eine „gute“ Universität?

Vor allem das Budget müssen Unis strategisch planen

Um ihre Aufgaben als die vielzitierten „Kristallisationspunkte der Wissenschaft“ im Bildungs- und Forschungssystem erfüllen zu können, müssen Universitäten Lehre und Forschung, Kooperationen und Rekrutierung von Personal und vor allem auch ihr Budget strategisch planen. Vor allem aber müssen sie diese Planung nach innen umsetzen und ihre Interessen nach außen wirksam vertreten können.

Das heißt: Sie müssen umfassend entscheidungs- und handlungsfähig sein. Erfolgreich sind sie dabei vor allem, wenn dies tatsächlich für eine Universität als Ganzes geschieht, nicht nur für einzelne Fachbereiche, Forschungsschwerpunkte oder Statusgruppen.

Jedes Leitungsorgan, jede Management-Einheit sind Dienstleister!

Die Anforderungen an die Leitung ergeben sich aus den Aufgaben und den Charakteristika der institutionalisierten Wissenschaft. Kernaufgabe der Universität ist es, gute, vielleicht sogar herausragende Wissenschaft in Lehre und Forschung zu ermöglichen. Jedes Leitungsorgan, jedes Entscheidungsgremium und jede Management-Einheit sind im Kern nicht mehr und nicht weniger als Dienstleister zur Verwirklichung dieses Ziels. Sie legitimieren sich letztlich allein dadurch, dass sie diese Aufgabe glaubwürdig im Interesse aller Universitätsmitglieder wahrnehmen.

Politisches Gewicht gegenüber Politik und Wirtschaft

Um in der heterogenen Interessenslandschaft einer Universität Glaubwürdigkeit und Autorität zu sichern, bedarf die Führung einer Hochschule anders als in der Politik oder in Unternehmen der mehrfachen Legitimation. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, deren eigene Reputation von der Anerkennung durch ihre „scientific community“ abhängt, akzeptieren Führung am ehesten durch einen international angesehenen Forscher. Die finanziell-wirtschaftlichen, strategischen und politischen Herausforderungen in der Leitung von modernen Universitäten hingegen verlangen vor allem professionelle Managementkompetenz, taktisches Geschick, finanzpolitisches Know-how und politisches Gewicht gegenüber der Politik und Partnern in der Wirtschaft.

Anderswo wird hierarchisch geführt

Nicht nur das Anforderungsprofil der Führungspersönlichkeiten, auch die Entscheidungsstrukturen, in denen sie operieren, bestimmen Akzeptanz und Erfolg der Hochschulleitung. Sie folgen in Deutschland im wörtlichen Sinne „eigenen Gesetzen“. Deshalb sind Erfahrungen und Erfolgsrezepte aus anderen Systemen auf Leitungsebene nur sehr bedingt übertragbar. In den angelsächsischen oder angelsächsisch geprägten Universitätssystemen, aber auch in manchen skandinavischen Ländern wie Dänemark, geschieht die Wahrnehmung dieser Leitungsaufgabe in einer linearen, unternehmensähnlich hierarchischen Struktur.

In Deutschland hingegen bildet sich das grundrechtlich verbriefte Selbstverständnis der unabhängigen Wissenschaft auch in den Leitungs- und Entscheidungsstrukturen ab.  Alle grundsätzlichen Finanz- und Planungsentscheidungen bedürfen der doppelten Legitimation durch die hauptamtliche Führung, in der Regel das Präsidium und gegebenenfalls den Hochschulrat, sowie durch die akademischen Gremien, also den Senat und das Konzil.

Widerstrebende Interessen klug moderieren

Ein erfolgreicher Präsident oder eine Präsidentin muss  gleichzeitig integrieren und führen, die oft widerstrebenden Interessen klug moderieren und darf zugleich klare Entscheidungen nicht scheuen. Zum Erfolg einer Universitätsleitung gehört aber unabdingbar auch ein starkes, durch klare Aufgabenteilung kompetent aufgestelltes und fest in der Universität verankertes Präsidium, beraten durch einen unabhängigen und sachkompetenten Hochschulrat, und ein verantwortungsvoll auf die gemeinsamen Ziele der Universität verpflichteter Senat.

Erst im Zusammenwirken können sie das notwendige Maß an strategischer Orientierung und Entscheidungsstärke entwickeln, mit dem sich eine Universität im Wettbewerb um Reputation und Geld behaupten kann. Voraussetzung dafür sind  klar zugeordnete, wechselseitig akzeptierte Zuständigkeiten, ein gemeinsames Leitbild und  ein gelebtes Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung  für die Universität nach innen und nach außen.

Unerheblich, ob der Finanzchef Kanzler oder Vizepräsident heißt

Zu den Erfolgsbedingungen gehört auch die Wahrnehmung einer übergreifenden Finanzverantwortung, die  allerdings klug auf die strategisch relevanten Aspekte des Finanzmanagements beschränkt. Eine gute finanzielle und  administrative Leitung macht keine Detailsteuerung in den Gliederungen der Universität. Dezentrale Budgetzuständigkeit ist vielfach sinnvoll, weil sie sachgerechte Entscheidungen, Flexibilität und Eigenverantwortung stärken.

Für die gesamt-institutionelle Planung, die Interessenvertretung gegenüber den Geldgebern, für institutionelle Aspekte der Qualitätssicherung und für die so wichtige Rechenschaftslegung gegenüber Staat und Drittmittelgebern braucht es aber eine Stelle, an der alle Informationen zusammenfließen. Dabei ist es unerheblich, ob diese Funktion „Kanzler“ oder „Vizepräsident“ genannt wird. Wichtig ist, dass sie nicht isoliert agiert, sondern gleichberechtigt – hier mag das Bild einer Regierung dann doch einmal richtig sein - mit am „Kabinettstisch“ sitzt und an den strategischen Entscheidungen des Präsidiums beteiligt ist.

Das richtige Gleichgewicht finden

Wie alle anderen Organe und Entscheidungsträger sind auch das Finanzmanagement und die Verwaltung in erster Linie der Universität und ihren Zielen als Ganzes verpflichtet, wirken konstruktiv an der Gestaltung mit und dürfen schon allein aus diesem Grund in ihren Gestaltungsmöglichkeiten nicht auf das Veto-Recht des Haushaltsbeauftragten beschränkt sein. Hier, wie auch bei der Leitung der Universität insgesamt, das richtige Gleichgewicht zwischen Entscheidungsverantwortung und Partizipation zu finden, ist die eigentliche Voraussetzung für eine gut geführte, handlungsfähige Universität.

Christiane Gaehtgens ist Projektmanagerin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und derzeit im Kapazitätsaufbau im Bildungswesen in Äthiopien tätig. Zuvor war sie unter anderem Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz und selbstständige Hochschulberaterin.

Christiane Gaehtgens

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