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Der Demonstrant in Mönchskutte

© Screenshot: Twitter

Ein Phantom, das bleiben wird: Was trieb den Mönch von Lützerath?

Bei den Protesten am Wochenende schubste ein Demonstrant in Mönchskutte einen Polizisten in den Matsch. Bereut er das? Wie schade, dass wir seine Sicht nie erfahren werden.

Ein Kommentar von Sebastian Leber

Am Samstag schubste ein Demonstrant in braunem Mönchskostüm einen Polizisten in den Matsch. Er wurde nicht festgenommen. Seine Identität wird daher im Dunkeln bleiben. War der Mann Aktivist? War er Anwohner? War er Protestant?

Was ihn zu dem Schubser antrieb, wird vermutlich ebenfalls nie bekannt werden.

Der Polizist ist weich gelandet, der Mönch hat sich keine Körperverletzung zuschulden kommen lassen. Eine versuchte möglicherweise schon. Beziehungsweise einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Er wird also sicher kein Interesse daran haben, an die Öffentlichkeit zu gehen und den Vorgang aus seiner Sicht zu schildern – auch wenn die Videos dieser Szene noch so viral gehen.

Als Journalist und überhaupt als neugieriger Mensch ist dies nur schwer zu ertragen. Sehr gern würde man die Geschichte des Mannes erfahren. Ob er derartiges schon einmal tat. Warum er kurz vorher einem anderen Polizisten, der ebenfalls im Schlamm steckte, noch aufmunternd auf die Schulter klopfte. Und natürlich: wieso Mönchskutte? Journalisten schmerzt es, in solchen Situationen nicht mehr schreiben zu können als „So reagiert das Netz auf den Mönch aus Lützerath“.

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Sicher ist bloß, was auf dem Pappschild stand, das der Mönch in den Sekunden zuvor mehrfach vor den Polizisten in den Schlamm steckte und welches diese jeweils wegschleuderten. Keine Beschwörungsformel: kein Bibelzitat, sondern einfach nur: „Lützi bleibt“ (Beweisfoto hier).

Sicher ist auch, dass der Mönch nicht zum ersten Mal in Erscheinung trat. Anfang 2018 protestierte er bereits gegen die Räumung eines Protestcamps im westfranzösischen Notre-Dame-des-Landes. Damals wollten Bürger den Bau eines Regionalflughafens verhindern, es gelang ihnen tatsächlich, die Regierung gab das Projekt schließlich auf.

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Von dem Mönch auf dem französischen Acker existiert sogar ein Foto: dieses hier. Laut der Zeitung „Le Monde“ soll er an jenem Tag insgesamt drei Eimer Wasser auf Polizisten geschüttet und dieses als Taufzeremonie deklariert haben. Damit ist auch geklärt, dass sein Kostüm tatsächlich das eines Mönchs ist und nicht etwa, wie im Netz spekuliert, das eines Zauberers. Der mittlerweile weltweit kursierende Spitzname „German Mud Wizard“ führt in die Irre. Außerdem ist von damals ein Video erhalten, das den Mönch beim minutenlangen Aufsagen eines politischen Gedichts in feinstem Französisch zeigt.

Auch der Dieb vom Badesee ist nie aufgetaucht

Mehr werden wir über den Mönch vielleicht nie erfahren. Leider kommt dies häufiger vor. Bis heute unbekannt geblieben ist die Person, die im Sommer 2018 dem damaligen AfD-Chef Alexander Gauland, während dieser in einem Potsdamer See badete, die Kleidung klaute.

Ich hatte fest damit gerechnet, dass sich der Dieb früher oder später doch bei irgendeiner Zeitung melden und in einem Interview verraten würde, ob es geplant war, wie er zu seinem Ausruf „Nazis brauchen keinen Badespaß“ kam, wo die Kleidung jetzt ist. Es würde sicher beim Einordnen, auch beim Beurteilens des Geschehens helfen. Doch der Täter blieb diszipliniert und in Deckung. Vielleicht hatte er auch einfach keine Lust.

Der schlimmste Fall fortgesetzter Geheimhaltung, unter der ich bis heute leide, heißt „Antifa Zeckenbiss“. Das ist der Twitter-Account, der im Sommer vor inzwischen viereinhalb Jahren ein 19-sekündiges Video unter der Überschrift „Menschenjagd in Chemnitz“ verbreitete.

Es zeigt, wie Migranten von einem wütenden Mob gejagt und als „Kanaken“ beschimpft werden. Da im Hintergrund die Stimme einer Frau zu hören ist, die offenbar ihren Partner vom Mitjagen abhalten möchte und deshalb „Hase, du bleibst hier“ sagt, ist das Dokument auf Wikipedia als „Hasi-Video“ gelistet.

Um den Mitschnitt entbrannte eine Debatte, die unter anderem belegte, welch schrecklicher Fehler es war, eine Person wie Hans-Georg Maaßen zum Verfassungsschutzpräsidenten zu machen. 

Wer steckt hinter „Antifa Zeckenbiss“?

Seit damals versuche ich erfolglos, den oder die Macher hinter „Antifa Zeckenbiss“ zu einem Treffen zu überreden. Ich fand es erstaunlich, dass ein Account mit diesem Namen so viel vertrauenswürdiger und aufklärerischer agierte als der Verfassungsschutzchef mit seinen Wahrheitsverdrehungen. Darüber hätte ich gern gesprochen.

Selbstverständlich sicherte ich Anonymität zu, bot ein unverbindliches Vorgespräch an. In einer meiner Nachrichten stand: „Ich wäre zu jeder denkbaren Vorsichtsmaßnahme bereit, die euch wichtig wäre!“ Ich wäre sogar bereit gewesen, mir einen Plastikeimer über den Kopf ziehen zu lassen. Auch das habe ich angeboten.

Es half alles nichts. Alle Anfragen wurden wiederholt freundlich, aber entschieden abgelehnt. Irgendwann kam ich mir wie ein Stalker vor.

Ich beobachte diesen Account nun seit Jahren. Ich bin überzeugt, er wird von integren Demokraten betrieben. Umso mehr wurmt es, dass sich „Antifa Zeckenbiss“ nicht mit mir treffen will.

Vielleicht steckt jemand dahinter, den ich persönlich kenne. Doch alle, die ich gefragt habe, bestreiten es.

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