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Meinung: Entlassen in eine neue Zeit

Von Axel Vornbäumen

Stand:

Zwischen zwei und drei Uhr in der Nacht zum Sonntag hat die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt nach Darstellung des bayerischen Justizministeriums das Gefängnis in Aichach verlassen – und das ist doch in jeder Hinsicht eine symbolbehaftete Aussage, denn um diese Zeit wurden in Deutschland gerade die Uhren auf Sommerzeit umgestellt. Eine neue, nun ja, Zeitrechnung beginnt, und für Brigitte Mohnhaupt stimmt das ganz gewiss: 24 Jahre hat sie im Gefängnis gesessen, verurteilt wegen Mordes und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu fünfmal lebenslang plus 15 Jahren Haft. Sie war der Kopf der sogenannten zweiten RAF-Generation, war die Konstrukteurin des „Deutschen Herbstes“, war verantwortlich für die Morde des Terrorjahres 1977. Der erste davon, das Attentat auf den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback, jährt sich in wenigen Tagen zum 30. Mal. Es wird vielen ganz und gar nicht gefallen, dass Brigitte Mohnhaupt an diesem Gedenktag – wie sagt man dazu? – „frei rumlaufen“ darf.

Ob die einstige Philosophiestudentin, die so konsequent wie wenige andere den Irrweg des Terrorismus gegangen ist, indes jemals frei sein wird, wird am heutigen Tag kaum einer ernsthaft beurteilen können. Sehr viel deutet darauf hin, dass sie nach wie vor gefangen ist in einer Gedankenwelt, aus der nur sehr schwer auszusteigen ist. Damit muss sie leben, und die Gesellschaft letztlich auch. Denn von der einstigen RAF-Kämpferin geht keine Gefahr mehr aus. Immerhin: Brigitte Mohnhaupt hat die Auflösungserklärung der RAF aus dem Jahr 1998 mitgetragen. Für jemanden wie sie war das ein großer Schritt.

In Aichach hat man die Gefängnispforte zwei Tage vor Ablauf der Mindestverbüßungszeit geöffnet. Das war rechtlich möglich, und es war gut so. Wer dies für übertriebene Milde hält, der muss seine Maßstäbe überprüfen. Es hat jedenfalls jenen unappetitlichen Medienrummel vermieden, vor dem allenthalben gewarnt wird, das Blitzlichtgewitter für eine Frau, die Öffentlichkeit nicht gewohnt ist.

Die Gefängnisse leeren sich. Nun sitzen nur noch drei ehemalige RAF-Mitglieder ein. Mag die Vergangenheit noch präsent sein, die Zeit der Geschichtswerdung rückt näher.

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