Meinung: Freiheit, die sie sich nehmen
Universitäten und Studenten dürfen – und müssen – wählerischer werden
Mit der Hochschulreform ist das so eine Sache. Solange der Staat an den Pranger gestellt werden kann, sind sich alle einig. Er gibt zu wenig Geld – was stimmt –, und gewährt zu wenig Freiheit. Letzteres ändert sich gerade. Jetzt sind die Hochschulen wirklich gefordert, denn sie dürfen in den Fächern mit Zulassungsbeschränkungen einen großen Teil der Studenten selbst auswählen. Aber wollen sie das wirklich? Sich die Studenten selbst zu suchen ist mit Mehrarbeit verbunden: Die Professoren müssen Auswahlgespräche oder Tests organisieren, sich auf die Gewichtung einzelner Abiturnoten einigen, die für das gewählte Studienfach von besonderer Bedeutung sind. Und sie müssen diese Verfahren dann auch noch gerichtsfest machen.
Die Reformer sagen, endlich ist ein wesentliches Element für Wettbewerb eröffnet. Fehlen nur noch die Studiengebühren, dann steht alles im Wettstreit: die Forschung, die Einwerbung von Drittmitteln, die Studiendauer, die Erfolgsquoten der Studenten und die Qualität der Lehre. Aber die Professoren und Studenten müssen das auch wollen. Schon bisher konnten bis zu einem Viertel der Studienplätze nach Auswahlgesprächen durch die Hochschulen vergeben werden. Nur haben die Hochschulen von diesem Freiheitsspielraum erst zögernd Gebrauch gemacht. Jetzt wird die Selbstauswahl zur Pflicht, und die Zuweisung durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) eher auf den Service begrenzt.
Das Ganze bringt dann einen wirklichen Fortschritt, wenn die Professoren sich mit Engagement auf die neuen Möglichkeiten stürzen. Denn in den Fächern dürfte sich vieles ändern. Die besten Studenten wollen auch bei den besten Hochschullehrern hören. Studienzeiten, die sich wie ein Gummiband dehnen, lassen sich dann leichter begrenzen und die hohen Abbrecherquoten erheblich verringern. Aber das setzt auch das Engagement der Studenten voraus. Wenn die Studienbewerber sich weiterhin bei der Ortswahl vorwiegend davon leiten lassen, dem Kreis ihrer Freunde und Freundinnen aus der Schulzeit möglichst nah zu bleiben oder das „Hotel Mama” nicht zu verlassen, dann bringt die Bestenauswahl wenig. Auch die Studenten müssen von den Ranglisten der besten Fachbereiche Gebrauch machen und danach den Studienort wählen.
Die Kultusminister haben den Ländern zwei Modelle freigestellt. Nach der Zuweisung der jeweils Abiturbesten durch die ZVS unterscheiden sie sich darin, wie groß der Prozentsatz der von den Hochschulen selbst auszuwählenden Studenten ist: Einmal sind es 50 Prozent, das andere Mal sind es 25 Prozent. In allen Fällen bleibt die ZVS als Serviceeinrichtung bestehen: Sie nimmt die Ortswünsche der Studenten entgegen und teilt den Hochschulen mit, wer sich an der Selbstauswahl beteiligen will. Und die ZVS verteilt am Ende jene Studenten, die über das Auswahlrecht der Hochschulen zu keinem Studienplatz gekommen sind. Das ist richtig so, weil die Gesellschaft auch auf durchschnittliche Schulabgänger nicht verzichten kann.
Uwe Schlicht